Ausbildung im Auswärtigen Amt: Einblicke und Erfahrungen einer Juristin

Franziska Schulz im BECK Stellenmarkt Interview

Franziska Schulz, Dipl.-Jur., absolviert im Moment die Ausbildung im gehobenen Dienst beim Auswärtigen Amt. Wie die Ausbildung genau abläuft und warum sie die ständigen Ortswechsel im Rahmen ihrer Tätigkeit beim Auswärtigen Amt als Chance sieht, erfahrt ihr in diesem spannenden Interview für den BECK Stellenmarkt.

Frau Schulz, vor der Ausbildung beim Auswärtigen Amt haben Sie vier Jahre lang beim Verwaltungsgericht Düsseldorf im gehobenen Dienst gearbeitet. Was fasziniert Sie an der Verwaltung?

„Faszination“ ist ein recht großer Begriff. Ich bin nicht eines Tages aufgewacht und dachte, mein Traum ist es, die ultimative Bürokratin zu werden. Allerdings bietet eine Tätigkeit in der Verwaltung schon einige Vorteile:

Erstens: Die Aufgaben können erstaunlich abwechslungsreich sein und gehen oft genug über die standardmäßige Sachbearbeitung von Fällen hinaus. Neben juristischen Fragen beschäftigen einen je nach Position Themen wie z.B. die Planung kultureller Veranstaltungen, das Personalwesen oder die Haushaltsplanung. In meinem Fall tritt neben die solide Mischung aus Routine und Spezialaufgaben noch die besondere Herausforderung des Orts- und Aufgabenwechsels alle vier Jahre. Während man sich also normalerweise nach angemessener Zeit selbst nach neuen Herausforderungen im Berufsleben umschauen sollte, ist der Tapetenwechsel beim Auswärtigen Amt sozusagen im Standardpaket inklusive.

Zweitens: Zumindest für den gehobenen Dienst gilt außerdem, dass das Klischee des Behördentierchens, das allein in seinem Büro sinnlos seine Zeit absitzt, stark überholt ist. Nach meiner Erfahrung ist es ein ausgesprochen kommunikativer Beruf mit anspruchsvollen Aufgaben, regelmäßigen Teammeetings, „Kundenkontakt“ und mittlerweile - dank fortschreitender Digitalisierung - auch flexibleren Arbeitszeitmodellen. Ein Büroalltag bietet außerdem die Möglichkeit, seine Freizeit ohne schlechtes Gewissen als tatsächlich freie Zeit für Freunde, Familie und Hobbies wahrnehmen und gestalten zu können. Persönlich ist mir das besonders wichtig.

Drittens: Ein weiterer Aspekt, der bei meiner Berufswahl eine nicht unerhebliche Rolle spielte, ist die Sicherheit. Eine finanzielle Absicherung, auch über die aktive Berufstätigkeit hinaus, gibt einem Planungsfreiheit und erspart einem so manche Alltagssorge.

Viertens: Schließlich - um ein bisschen philosophisch zu werden - ist mir auch der ideelle Wert, die Sinnhaftigkeit, wichtig. Eine funktionierende, transparente Verwaltung ist eine wichtige Stütze in unserem demokratischen Rechtsstaat. Teil davon zu sein und damit aktiv unsere liberale und soziale Gesellschaft zu stärken, ist ein Motivationsfaktor. Beim Einsatz in den Auslandsvertretungen macht sich das zum Beispiel dadurch bemerkbar, dass man Deutschen vor Ort konsularisch zur Seite steht, sei es in Notfällen oder auch durch Beglaubigungen und Beurkundungen bei der Geburt eines Kindes im Ausland oder eine Eheschließung, die beim deutschen Standesamt nachbeurkundet werden sollen. Die Aufrechterhaltung diplomatischer Beziehungen und den Einsatz zur Förderung der Menschenrechte weltweit möchte ich nicht unterschlagen, auch in diesen Bereichen ist man im gehobenen Dienst tätig.

Das hört sich in der Tat nach einer spannenden und sinnhaften Tätigkeit an! Wie kam es denn eigentlich zu Ihrer Bewerbung beim Auswärtigen Amt?

Nachdem klar war, dass ich nicht als (Voll-)Juristin arbeiten kann und möchte, war ich eher zufällig an eine Stelle im Verwaltungsgericht Düsseldorf gekommen, wo ich mich dank toller Geschäftsleitung und sehr netter KollegInnen absolut wohl gefühlt habe. Zur Bewerbung beim Auswärtigen Amt kam ich dann zum einen aufgrund meiner bereits gesammelten beruflichen Erfahrung im gehobenen Dienst und weil ich in den Jahren 2014 und 2015 Praktika in den Botschaften Nairobi und Sofia absolviert hatte – meine persönlichen Highlights in der gesamten juristischen Ausbildung. Daneben gab es noch den eher emotionalen Faktor „Fernweh“. Reiselust oder auch längere dauerhafte Auslandsaufenthalte gehören in meiner Familie dazu - damit bin ich aufgewachsen.

Sie sprechen einen wichtigen Punkt an: Wenn man beim Auswärtigen Amt arbeitet, ist man mitunter ein Berufsleben lang unterwegs: Sehen Sie hier für sich und die weitere Lebensplanung auch Nachteile?

Eigentlich nicht. Natürlich gibt es Fragen, die auf der Hand liegen und über die man sich Gedanken machen muss: Möchte oder kann man z.B. seinen gegebenenfalls vorhandenen PartnerInnen bzw. Kindern den ständigen Wohnortwechsel zumuten? Oder wie sieht es mit der Pflege, der hoffentlich alt werdenden Eltern aus? Allerdings sind das für mich erstmal alles nur hypothetische Erwägungen. De facto weiß man nicht, wie das eigene Leben verläuft, welche Beziehungen man tatsächlich eingeht, wann und inwieweit die Eltern pflegebedürftig werden. Sich in seinen Lebensentscheidungen einzuschränken aufgrund von Sorgen über Zustände, die noch nicht eingetreten sind, halte ich generell für keine besonders konstruktive Einstellung im Leben. Sicher ist wohl nur, dass man seine Freundeskreise (zumindest geographisch) zurücklassen muss. Nach meiner bisherigen Lebenserfahrung sind allerdings auch diese in stetigem Wandel unabhängig davon, ob man sich ins Ausland verabschiedet oder nicht. Ein berufsbedingter Umzug innerhalb von Deutschland kann zum Beispiel auch dazu führen, dass es schwierig bis unmöglich wird, sich im Alltag zu sehen. Das führt aber sicher nicht zwangsläufig zum Verlust der Freundschaften. Die engsten Vertrauten bleiben einem unabhängig davon, wo man sich auf dem Planeten befindet, erhalten. Messengerdienste und Social Media haben da im Übrigen die Möglichkeiten, Kontakt zu halten, deutlich verbessert. Ich sehe den ständigen Wechsel als großartige Chance und als Privileg neue Freundschaften zu knüpfen. Und sollten sich die Umstände dann tatsächlich doch so verändern, dass man unbedingt einen dauerhaften Wohnort in Deutschland bis zum Ruhestand braucht, ist man schließlich frei sich entsprechend umzuorientieren.

Wie läuft die Ausbildung im gehobenen Auswärtigen Dienst genau ab?

Die Ausbildung ist ein dreijähriges duales Studium an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Das Studium ist in Blöcke aufgeteilt und beginnt mit dem Grundstudium in der Akademie Auswärtiger Dienst. Darauf folgt ein Inlandspraktikum in der Zentrale des Auswärtigen Amtes. Anschließend steht der erste Teil des Hauptstudiums an der Hochschule für Wirtschaft und Recht an. Nach einigen Vorbereitungsmonaten folgt dann der vielleicht spannendste Teil der Ausbildung - das Auslandspraktikum. Hier werden die AnwärterInnen das erste Mal für ca. sieben Monate an eine von 228 Auslandsvertretungen entsandt. Für mich geht es im nächsten Jahr zum Beispiel nach Lissabon. Zurück in Deutschland folgt, nach dem Verfassen einer Diplomarbeit, der zweite Teil des Hauptstudiums inklusive des finalen Ablegens der Laufbahnprüfungen. Voilá! Detailliert kann man den gesamten Studienablauf ebenfalls im Netz finden.

Inwiefern hilft Ihnen das Jura-Studium in Ihrer Ausbildung weiter?

Juristische Vorkenntnisse helfen schon. Immerhin handelt es sich bei dem überwiegenden Teil der Studienfächer, in denen wir jetzt geprüft werden, um juristische Fächer wie etwa das Konsular- und Verwaltungsrecht, Staatsrecht, Familien- und Erbrecht, internationales Privatrecht, Beurkundungsrecht. Auch wenn manche Fächer für unsere Zwecke ausgewählt und dadurch recht spezifisch sind, bringt die allgemeine juristische Vorbildung Vorteile. Immerhin sind weder die wissenschaftliche Bearbeitung von Fragestellungen allgemein noch die juristische Fallbearbeitung neu für mich. Neben juristischen Leistungsnachweisen gibt es aber auch viele andere Sachgebiete, in denen AnwärterInnen geprüft werden. Genannt sei hier unter anderem die VWL oder das Haushalts- und Kostenrechnungswesen. Hinzu kommt eine intensive Sprachausbildung in Englisch und Französisch.

Das klingt nach einem breiten Spektrum. Welche Tätigkeitsgebiete ergeben sich denn im gehobenen Auswärtigen Dienst?

Hier kann man sich im Grunde an der Struktur des Ministeriums selbst, bzw. der Auslandsvertretungen orientieren. Ein Einsatz ist in jedem Referat zu jedem Sachgebiet denkbar. Anschaulich ist es vielleicht bei den Auslandsvertretungen, die in der Regel in die Referate: Politik, Wirtschaft, Kultur, Presse, Sicherheit, Verwaltung und Rechts- und Konsularwesen aufgeteilt sind. Die zwei letztgenannten sind diejenigen, wo der gehobene Dienst die umfangreichsten Aufgaben wahrnimmt. Aber möglich und sogar erwünscht ist ein Einsatz auf allen Gebieten während einer Berufslaufbahn. Konkrete Beispiele für Tätigkeiten im gehobenen Dienst beim Auswärtigen Amt wären die Leitung einer Visastelle, alle denkbaren Verwaltungstätigkeiten oder auch die Vorbereitung und Koordinierung von Besuchen der Außenministerin oder des Bundeskanzlers oder manchmal auch des Bundespräsidenten.

Entführen Sie uns mal in Ihren typischen Arbeitsalltag: Wie sieht dieser aus?

Von „Alltag“ lässt sich aufgrund des blockartigen Studienaufbaus kaum sprechen. Auf das noch teilweise verschulte Grundstudium folgte bei mir im Inlandspraktikum der übliche „Nine-to-five“-Büroalltag. Das war aber auch nicht für alle AnwärterInnen so. Hier hing es stark von dem Referat ab, wie sich der Arbeitsalltag gestaltete. Gerade liegt der erste Teil des Hauptstudiums, inklusive dem vollen Spaßprogramm von Hausarbeiten und Klausuren hinter mir. Es ist vielleicht wichtig zu erwähnen, dass es im Unterschied zu einem regulären Studium zur Dienstpflicht gehört, zu den Vorlesungen zu erscheinen. Ganz so frei, wie bei einem klassischen Studium, ist es also nicht. Dafür wird man aber auch bezahlt. In den nächsten Monaten bereite ich mich dann auf meinen Auslandseinsatz vor. Auf die Zeit in Portugal freue ich mich schon sehr. Insgesamt kann man sicher sagen, dass durch die große Abwechslung definitiv keine Langeweile aufkommt – die Monate vergingen bisher wie im Flug.

Klingt spannend! Wissen Sie denn schon, wie es für Sie nach der Ausbildung weitergeht?

Es geht ins Ausland. So viel steht fest. Wohin es konkret geht und welche Position ich dort übernehme, entscheidet sich erst im nächsten Jahr. Ich rechne mit einem Einsatz in der Rechts- und Konsularabteilung für mindestens zwei Jahre. Eine Traumposition habe ich noch nicht. Das ergibt sich wahrscheinlich mit ein paar Jahren Berufserfahrung. Meine Wünsche beziehen sich zurzeit eher auf die potenziellen zukünftigen Wohnorte oder auch die Sprachen, die man anknüpfend an diese Dienstposten lernen kann.

Wegen der bereits erwähnten Möglichkeit, viel zu reisen und international zu arbeiten, ist eine Tätigkeit beim Auswärtigen Amt der Traum vieler Studierenden. Was muss man Ihrer Meinung nach mitbringen, um dieses Ziel zu erreichen?

Es gibt einige Standardvoraussetzungen, die man - aufgeteilt nach den Laufbahnen - ganz leicht über die Website des Auswärtigen Amtes rausbekommen kann. Dazu gehören für den gehobenen Dienst zum Beispiel die deutsche Staatsangehörigkeit und die allgemeine Hochschulreife. Das Auswahlverfahren besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Beim schriftlichen Teil werden neben der Allgemeinbildung auch die Sprachkenntnisse in Englisch und einer zweiten Fremdsprache geprüft. Allgemeine Tipps für das mündliche Verfahren kann man kaum geben, außer vielleicht den pauschalsten Rat aller Zeiten: „Sei Du selbst!“ Ich persönlich hatte mich damals nicht auf das Interview vorbereitet, sondern eher auf Natürlichkeit gesetzt. Ich denke aber, es gibt hier nicht die „richtige“ Herangehensweise. Für Leute, die nichts dem Zufall überlassen wollen, gibt es auch für das Auswahlverfahren ausführliche Hinweise im Netz, sowie einen Instagram-Account bezüglich der Ausbildung beim Auswärtigen Amt. Hier können BewerberInnen zu allen Laufbahnen regelmäßig zu den Auswahlterminen praktische Hinweise finden. Unabhängig von der Fähigkeit, genügend Punkte beim Auswahlverfahren zu sammeln, sollte man aber sicherlich die Bereitschaft mitbringen, sich weltweit versetzen zu lassen und in einem behördlichen Umfeld zu arbeiten. Teamfähigkeit, ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten und Flexibilität sind da vielleicht einige entscheidende Stichwörter.

Vielen Dank für das Gespräch!

Über die Interviewpartnerinnen:

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Franziska Schulz, Dipl.-Jur.
Auszubildende im gehobenen Auswärtigen Dienst

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Veronika Gebertshammer, Dipl.-Jur.
Texterin, Lektorin und Schreibcoach
www.veronika-gebertshammer.de