Nie lagen Privatschulen mehr im Trend als jetzt. Laut offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis) besuchen seit fast drei Jahrzehnten immer mehr Schüler in Deutschland private Schulen. Im Schuljahr 2018/19 gab es in Deutschland demnach 5.811 allgemeinbildende und berufliche Privatschulen. Somit sind insgesamt 14 Prozent aller Schulen in Deutschland privaten Ursprungs (11 % der allgemeinbildenden und 25 % der beruflichen Schulen). Im Vergleich: Im Schuljahr 1992/93 gab es lediglich 3.232 Privatschulen. Während im Schuljahr 2008/09 nur jeder dreizehnte Schüler eine Privatschule besuchte, entschied sich im Schuljahr 2018/19 bereits jeder elfte für eine Privatschule. Interessant dabei ist, dass die Anteile der Privatschüler stark von Bundesland zu Bundesland variieren: Sachsen (14,7 %), Berlin (12,1 %) und Mecklenburg- Vorpommern (12,0 %) führen die Rangfolge der Bundesländer an. In Schleswig- Holstein liegt der Privatschüleranteil bei rund 4,4 %.1
Die Wahl der richtigen Privatschule – Ansporn und Ansprüche der Eltern
Die Gründe für den wachsenden Zulauf sind vielfältig. So verschieden die Schulformen und Angebote in der Privatschullandschaft sind, so unterschiedlich sind auch die Motive der Eltern bei der Auswahl der geeigneten Privatschule. Nach einer Analyse der Pädagogischen Rundschau aus dem Jahr 20142 lassen sich drei hauptsächliche Beweggründe unterscheiden. Demnach wählen viele einkommensreiche Akademikereltern für ihre Kinder bevorzugt alternativ-reformpädagogische, möglichst internationale Schulen oder leistungsorientierte Gymnasien aus. Sie entscheiden sich für Privatschulen mit entsprechender pädagogischer Orientierung und legen neben der Leistung vermehrt Wert auf Individualität und Selbstentfaltung. Eine zweite Gruppe umfasst vorwiegend Eltern mit mittleren Bildungsabschlüssen, deren Wahl häufig auf Schulen fällt, die mehrere Bildungsgänge vereinen, wie etwa Gesamtschulen, Haupt- und Real-schulen oder Realschulen mit Gymnasialzweig. Ihnen kommt es darauf an, dass sich ihre Kinder solides Wissen und soziales Verhalten aneignen und sie es „einmal besser haben“ werden als sie selbst. Dafür sind sie bereit, wertvolle Ressourcen einzusetzen. Seit ein paar Jahren hat sich zusätzlich eine dritte Gruppe herausgebildet, der Eltern angehören, die oft selbst in pädagogischen Bereichen tätig sind und die sich vielfach für alternative Grundschulen entscheiden. Ihnen ist es wichtig, ihren Kindern eine unbeschwerte und glückliche Schulzeit zu schenken. Die Lehrer sollen auf die Individualität der Kinder eingehen und sie ohne Zwang, aber dennoch optimal fördern. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass hinter allen drei Elterngruppen bestimmte Werte stehen, die sie in der Ausrichtung der Privatschule verwirklicht wissen wollen.
Eine Tradition mit langer Geschichte
Die Historie deutscher Privatschulen und das Recht auf Privatschulbesuch reichen weit zurück. Bereits in der Weimarer Verfassung von 1919 war das Recht eines jeden, private Schulen zu gründen oder seine Kinder auf eine solche Schule schicken zu dürfen, in Artikel 147 verankert. Auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist dieses Recht in Artikel 7 Absatz 4 festgeschrieben: „Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.“
Staatsdienst oder Staatsfeind? – Gesunder Wettbewerb mit öffentlichen Schulen
Private Schulen dienen der Ergänzung des staatlichen Schulsystems und tragen neuen pädagogischen Entwicklungen Rechnung. Sie sind daneben auch Ausdruck eines neues Staatsverständnisses, dem zufolge einzelne Aufgabenbereiche an private Dienstleister ausgelagert werden, die jene Aufgaben dann unter marktwirtschaftlichen Bedingungen erfüllen. Außerdem üben sie Druck auf öffentliche Schulen aus, auch weiterhin attraktiv zu bleiben. Der ehemalige Vorsitzende des Bildungsausschusses des Bundestags, Ernst Dieter Rossmann, stellte vor einigen Jahren fest: „Die wachsende Beliebtheit privater Schulen muss ein Ansporn sein, öffentliche Schulen noch besser, familienfreundlicher und flexibler zu machen.“
Über die Autorin:
Veronika Gebertshammer,
Dipl.-Jur. ist Texterin, Lektorin und Schreibcoach.
www.veronika-gebertshammer.de
1 Statistisches Bundesamt (Destatis): DESTATIS KONTEXT. Privatschulen in Deutschland – Fakten und Hintergründe, 2020.
2 Kraul, Margret; Bergau, Natalia; Rapp, Sylvia: „Privatschulen zwischen Förderung und Distinktion. Eine Analyse aus Elternsicht.“ In: Pädagogische Rundschau, 68 (2014) 1, S. 73 – 94.