Mut zum Erfolg – Wie sich Frauen gegenseitig auf die Karrieresprünge helfen können

Interview mit Ann-Kathrin Ludwig und Felicitas Famulla

Ann-Kathrin Ludwig und Felicitas Famulla sind die Geschäftsführerinnen des weiblichen Nachwuchsnetzwerkes Legally Female. Im Interview verraten sie, wie sie junge Talente mit ihrem Mentoring-Programm fördern und die Rechtsbranche weiblicher machen wollen.

Aus welcher Intention heraus wurde Legally Female gegründet?

Die juristische Karriere erfordert in zunehmendem Maße ein selbstbewusstes Auftreten und den Mut, sich frühzeitig von der Masse abzuheben. Das fällt (Nachwuchs-)Juristinnen* teilweise schwer, weshalb das Risiko besteht, den Anschluss an die konkurrenzdominierte Rechtsbranche zu verpassen.
Die Rechtswissenschaft braucht aber starke Juristinnen: mit unserem Fördernetzwerk Legally Female möchten wir Nachwuchsjuristinnen daher ermutigen, sich ihres Potentials bewusst zu werden und dieses von Beginn an voll auszuschöpfen. Gerade die vertrauensvolle und beratende Unterstützung durch erfahrenere Juristinnen im Rahmen des 1:1 Mentoringprogrammes soll dabei helfen, Unklarheiten und Unsicherheiten auf dem juristischen Weg früh auszuräumen und durch die Weitergabe von Erfahrungswerten zu neuen Schritten zu ermutigen.

Wir wollten uns aufgrund eigener Erfahrungen im Bereich Mentoring engagieren. Als wir merkten, dass es im Markt kein vergleichbares Netzwerk gibt, entschieden wir uns vor knapp einem Jahr zur Gründung. Wir wachsen stetig und konnten unser Angebot und den Kreis der Teilnehmerinnen aus allen juristischen Branchen laufend erweitern.

Was sind die Ziele?

Wir möchten, dass junge Talente gestärkt und motiviert ihre juristische Karriere vorantreiben können und so zum Aufbau und Erhalt einer diversen Rechtsbranche beitragen. Unsere bislang knapp 300 Teilnehmerinnen und unsere Kooperationspartner eint die Erkenntnis, dass Wirtschaftlichkeit und Erfolg der Rechtsbranche maßgeblich von der Förderung des dringend benötigten weiblichen Nachwuchses abhängen.

Wie unterstützen Sie Nachwuchsjuristinnen ganz gezielt mit Ihrem Netzwerk?

Das Herzstück von Legally Female ist unser 1:1 Mentoringprogramm, welches Nachwuchsjuristinnen ab dem ersten Semester bis zum dritten Jahr des Berufseinstiegs als Mentees aufnimmt. Dadurch ermöglichen wir eine Förderung bereits in den frühesten Stadien der juristischen Laufbahn. Viele andere Förderprogramme unterstützen erst ab einem gewissen Punkt im Lebenslauf oder ab dem Erreichen einer gewissen Notengrenze – zu diesem Punkt muss der juristische Nachwuchs aber erst einmal gelangen. Die Gefahr, vorher durch das grobmaschige Netz zu fallen, ist aufgrund der Eigenheiten der juristischen Ausbildung enorm. In Workshops und Events geben wir Hilfestellungen an die Hand, um über sich selbst hinauszuwachsen, zeigen Berufsbilder und Karrierewege auf und unterstützen beim Thema Bewerbungen. Flankiert wird unser Angebot durch Möglichkeiten des Netzwerkens über nichtöffentliche Plattformen.

Wie funktioniert Ihr Mentoring-Programm?

Unser kostenloses Mentoringprogramm läuft ein Jahr lang, aufgrund der hohen Nachfrage starten wir jedoch halbjährlich. Durch Leitfäden (u.a. mit einem Tool zum Tracken von Zielen) und einen Einführungsabend werden die Teilnehmerinnen vorbereitet, aber auch während des Programms stehen wir jederzeit als Ansprechpartnerinnen bei eventuell aufkommenden Problemen oder Fragen zur Seite. Wir wünschen uns einen mindestens monatlichen Austausch von Mentorin und Mentee – sei dies persönlich (beispielsweise zum Besuch unserer Events oder bei einem Mittagessen) oder digital. Viele Mentoringpaare haben auch über die Dauer des eigentlichen Programms hinaus Kontakt. Es haben sich feste Bindungen und vertrauensvolle Bekanntschaften bis hin zu Freundschaften entwickelt. Einige Mentorinnen betreuen nun auch schon zum zweiten Mal eine Mentee.

Wie wird man Mentee bzw. Mentorin und wer kann bei Ihnen Mentee bzw. Mentorin werden?

Unser Programm steht Mentees vom ersten Semester bis zum dritten Berufsjahr als Volljuristin/Juristin offen. Informationen zur Bewerbung teilen wir auf unserer Website sowie auf Instagram. Als Mentorinnen suchen wir empathische Juristinnen, die mindestens das Erste Staatsexamen absolviert haben und unsere Vision teilen. Sie sollten ehrliches Interesse an einem Austausch auf Augenhöhe, Engagement für den juristischen Nachwuchs sowie einem vertrauensvollen Verhältnis zu ihrer Mentee haben. Interessentinnen können sich ganzjährig per E-Mail an uns wenden: mentoring@legallyfemale.de.

Wir matchen rein nach subjektiven Kriterien und berücksichtigen dabei den Lebensweg der Teilnehmerinnen (z.B. hinsichtlich des Ausbildungsstands und der Spezialisierung, aber vor allem auch in Bezug auf Erlebtes wie Schicksalsschläge, Migrationshintergrund, Elternschaft usw.). Wir bieten damit eine individuelle Hilfestellung dort, wo Förderung nötig ist – unabhängig von Noten oder vermeintlich beeindruckenden Lebensläufen. Uns ist die Motivation der Bewerberinnen wichtig. Über die Bewerbungsunterlagen erhalten wir sehr persönliche Einblicke und können einschätzen, ob die Bewerberin das nötige Engagement mitbringt, um von Legally Female zu profitieren.

Inwieweit gibt es auf dem juristischen Arbeitsmarkt Ihrer Einschätzung nach noch Nachholbedarf beim Thema „Frauenförderung/Gleichberechtigung“?

Es besteht immenser Nachholbedarf. So sind in Deutschland nur 29,2% der Führungspositionen1 und nur 17% der juristischen Professuren weiblich besetzt.2 Der Frauenanteil in Partnerschaften ist mit 16% ein Armutszeugnis.3 Zudem gehen weibliche Studierende zwar mit einem höheren Abiturschnitt (ca. 0,2) in die Erste Juristische Staatsprüfung, schneiden aber etwa 10% schlechter ab als die männlichen Studierenden.4 Im Zweiten Juristischen Examen werden Rechtsreferendarinnen schlechter beurteilt als Referendare.5 Dies wirkt sich auch auf die Teilnahme am Arbeitsmarkt aus.

Was ist Ihrer Meinung nach der Vorteil eines rein weiblichen Netzwerkes?

Wir bieten mit unserem rein weiblichen Netzwerk einen vertraulichen Raum für „Probleme” und Fragen, die unsere Mentees nur mit einer weiblichen Mentorin erörtern möchten. Als typisches Beispiel mag hier die Vereinbarkeit einer Schwangerschaft mit der Karriereplanung fungieren. Außerdem fehlen häufig weibliche Vorbilder, die den Mut zum Ergreifen wichtiger Karriereschritte fördern. Diese Lücke können wir mit Legally Female schließen.

Was wollen Sie Nachwuchsjuristinnen gerne mit auf den Weg geben?

Mut wird immer belohnt. Lassen Sie sich nicht von einer Stimme im Kopf kleinhalten, die sagt: „Du kannst das nicht.”

Über die Autorinnen:

Ann-Kathrin Ludwig
ist Rechtsreferendarin und seit mehreren Jahren im Bereich Finance in einer internationalen Großkanzlei tätig. Sie ist Initiatorin und Co-Geschäftsführerin von Legally Female.

Felicitas Famulla
ist Associate im Bereich M&A in einer internationalen Wirtschaftskanzlei und promoviert zum internationalen Strafrecht. Sie ist Co-Geschäftsführerin von Legally Female.

*Wenn wir von Frauen/Juristinnen/weiblichen Personen sprechen, meinen wir alle, die sich als solche fühlen und verstanden werden möchten.

1Eurostat (2022), Erwerbstätige Frauen in Führungspositionen nach Alter.
2https://www.jura.uni-frankfurt.de/73356125/Daten-und-Fakten-zur-Repraese...
3https://www.azur-online.de/beruf-karriere/wo-bleiben-die-partnerinnen/#:... der,es%20nur%20noch%2016%20Prozent
4https://iurratio.de/journal/frauen-in-der-juristerei; https://www.zdrw.nomos.de/filead min/zdrw/doc/2014/Aufsatz_ZDRW_14_01_Towfigh_u.a.pdf
5https://idw-online.de/de/news69324

Der Beitrag wurde erstmals in der JuS 04/23 veröffentlicht.