Anwalt in Auslieferungs- und Rechtshilfesachen

von Dr. Nikolaos Gazeas, LL.M.

Washington, D.C., Johannesburg, London oder auch Lomé? Die Tätigkeit eines Anwalts im Strafrecht muss nicht an den bundesdeutschen Grenzen enden. Sie kann einen vielmehr mit Fällen in aller Herren Länder in Berührung bringen.

Dies vor allem dann, wenn es um Fragen der Auslieferung und sonstigen Rechtshilfe in Strafsachen geht. Ob der spanische Politiker Carles Puigdemont, der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny oder Beschuldigte in den sog. Cum-Ex-Verfahren – sie alle eint, dass sie Rechtsrat in rechtshilferechtlichen Fragen in Deutschland benötigten.

Das häufig unter der Bezeichnung »Internationales Strafrecht« erfasste Rechtsgebiet ist ein Exot. Im Studium steht es meist nicht auf dem Lehrplan. In der Praxis kann es hingegen einen bunten Strauß an juristischen Berufen eröffnen: im Bundesamt für Justiz, das bei Rechtshilfeverfahren in Deutschland eine zentrale Rolle spielt, im Bundesministerium der Justiz, als Staatsanwalt im Rechtshilfedezernat oder als Richterin in einem OLG-Senat für Auslieferungssachen. Oder eben als Anwalt in diesem Rechtsgebiet.

Eine Nische mit wenigen Experten

In den allermeisten Rechtshilfefällen benötigen die Betroffenen von Rechtshilfemaßnahmen anwaltlichen Beistand. Denn ganz oft geht es um sehr viel. In Auslieferungsverfahren droht die Auslieferung eines Betroffenen. Was in Deutschland überhaupt nicht strafbar ist, kann einen in den USA auch mal viele Jahre ins Gefängnis bringen.

Anders lag der Fall eines deutschen Unternehmers, dem u.a. Produktpiraterie vorgeworfen wurde und der in Spanien festgenommen wurde. Was ihm vorgeworfen wurde, war in Deutschland zwar strafbar, jedoch weitgehend schon verjährt. In Deutschland erwartete den Betroffenen daher nur eine Geldstrafe oder allenfalls eine Bewährungsstrafe. In den USA hingegen bis zu 30 Jahre Haft.

Die Lösung brachte hier eine Fortschreibung europäischer Rechtsprechung. Am Ende wurde der Mandant nach über sechs Monaten Auslieferungshaft von spanischen Polizeibeamten in ein Flugzeug nach Deutschland gesetzt und war – in Deutschland angekommen – ein freier Mann. Letzte Hürden wurden pragmatisch gelöst: Wir Anwälte buchten das Flugticket.

Gerade aktuell gibt es quer auf der ganzen Welt verstreut eine große Zahl von Menschen, denen deutsche Staatsanwaltschaften Steuerhinterziehung im großen Stil im Zusammenhang mit den sog. Cum-Ex-Geschäften vorwerfen. Sie sitzen etwa in Großbritannien, Dubai, Neuseeland oder in der Schweiz. Und alle stellen sich die Frage, ob ihnen eine Auslieferung nach Deutschland droht.

Vielschichtige Rechtsmaterie

Die Rechtsmaterie ist vielschichtig – und nicht selten auch komplex. Neben dem deutschen Recht spielen das Europäische Recht und vor allem das Völkerrecht eine zentrale Rolle. Und nicht selten auch das ausländische Recht des betroffenen Staates. Das macht jedoch den besonderen Reiz aus. Denn Vieles ist immer wieder neu.

Ein weltweites Netzwerk ist wichtig

Da die Fälle quer in der Welt verstreut sind, braucht man ein gutes Netzwerk mit versierten Rechtshilfeexperten im Ausland. Neben dem Bereich der Auslieferung, der sog. »großen Rechtshilfe«, gibt es auch die sonstige Rechtshilfe, die sog. »kleine Rechtshilfe«. Sie ist nicht weniger wichtig und auch nicht weniger komplex. Wenn ein fremder Staat, nehmen wir mal an Russland, Deutschland um die Durchführung von verschiedenen Ermittlungsmaßnahmen im Wege der Rechtshilfe ersucht, stellten sich vor Kurzem viele Fragen.

Muss sich der Betroffene als Zeuge vernehmen lassen? Darf die Staatsanwaltschaft seine Patientenakte in Deutschland beschlagnahmen? Muss sie seine Ärzte vernehmen und die geheimen Laborergebnisse, die den Nachweis über eine Vergiftung mit einem Gift aus der Nowitschok-Gruppe liefern, nach Russland schicken?

Als diese Fragen aufkamen und die Staatsanwaltschaft Alexej Nawalny dazu anhören wollte, brauchte er einen Anwalt, der sich mit dieser speziellen Materie auskennt.

Guter Nachwuchs ist Mangelware

Nur wenige Universitäten bieten spezielle Vorlesungen hierzu an. Doch Lehrbücher und Kommentare zu dieser Materie gibt es genug. Und damit genug Stoff, sich bei Interesse dieser Materie auch im Selbststudium anzunähern. In der Rechtspraxis ergeben sich viele Möglichkeiten, diesen spannenden Bereich kennen zu lernen.

Die Tendenz in der internationalen Strafverfolgung sowie die Harmonisierung der Strafverfolgung innerhalb der EU werden dazu führen, dass immer mehr Bedarf auf diesem Rechtsgebiet entsteht. Und als vermeintlicher Exot wird man damit schnell zum begehrten Hingucker für potentielle Arbeitgeber. Mit dieser exotischen Thematik befasste er sich erstmals im Studium. 

 

Über den Autor: 

Dr. Nikolaos Gazeas, LL.M.
Rechtsanwalt und Partner
der Kanzlei GAZEAS NEPOMUCK
Lehrbeauftragter der Universität zu Köln