Der Arbeitsalltag des Anwalts in einer Großkanzlei – mehr als nur Bücher wälzen?

von Astrid Anacker, HR-Managerin, DLA Piper UK LLP

Eine häufig gestellte Frage im Gespräch mit Hochschulabsolventen
ist die Frage nach dem Arbeitsalltag des Anwalts. [Die Ausführungen beziehen sich auf Anwälte, Kollegen und Partner beiderlei Geschlechts (Anmerkungen des Verfassers)]

Und wie so häufig gibt es auch auf diese Frage eine juristische Antwort: Es kommt darauf an! Doch worauf kommt es an? Sicherlich spielt die Struktur der Kanzlei und die damit verbundene Aufgabenteilung eine Rolle, aber natürlich ist auch das Rechtsgebiet entscheidend für die Herausforderungen der Arbeit.

Wie ist die Kanzlei organisiert?

Als Associate arbeitet man zunächst hauptsächlich auf den Mandaten des zugeordneten Partners mit. Rechtsanwälte verschiedener Senioritätslevel arbeiten in diesen Teams, so dass das „training on the job“ in den Arbeitsalltag integriert ist. Erfahrene Kollegen übernehmen dabei das „Mentoring“ und geben in der ersten Zeit Hilfestellungen. Solche Mentoringprogramme sind in vielen Großkanzleien in unterschiedlichen Ausprägungen verbreitet.

Jede Kanzlei lebt auch von einer gewissen Infrastruktur. Vor allem die Gepflogenheiten von Recherche und Wissensvermittlung, zum Beispiel aus Bibliotheken oder Datenbanken, stellen einen wichtigen Aspekt dar. Als Einsteiger sollte man sich daher mit den technischen Recherchemöglichkeiten und den Präsenzbeständen vertraut machen. Die hochgradige Spezialisierung der Abteilungen erfordert oft spezifische Recherche. Das sogenannte Knowledge oder Knowhow Management ist daher ein hilfreiches Instrument der täglichen Arbeit.

Auch andere Strukturen helfen, den Arbeitsalltag als Rechtsanwalt zu organisieren. Die Zeiterfassung der Mandatsarbeit wird in der Regel über ein System erfolgen, dessen Grundlagen in den ersten Wochen durch Schulungen vermittelt werden. Die Rechnungserstellung und die Abrechnung der Stunden beim Mandanten werden in den meisten Kanzleien zwar durch die Sekretariate erfolgen, es schadet allerdings nicht, mit diesen Systemen vertraut zu sein.

Worin bestehen die Hauptaufgaben im Kanzleialltag?

Eine pauschale Antwort gibt es auch in diesem Falle nicht. Denn maßgeblich für den Aufgabenschwerpunkt in der Rechtsberatung ist die juristische Spezialisierung. Eines lässt sich aber sagen: Ein Alltagstrott wird wahrscheinlich nicht aufkommen. Die Aufgabenstellungen der Mandate sind vielfältig, und oft werden Sachverhalte von verschiedenen Seiten betrachtet. Pauschallösungen gibt es nicht. Daher ist Kreativität und Spontaneität gefragt. Vor allem Großprojekte erfordern – über die fachliche Expertise hinaus –Managementqualitäten und einen guten Überblick über den Projektstand.

Bei Vertragsverhandlungen muss sich der Anwalt ständig auf die Argumente der Gegenseite einstellen, diese aufnehmen und im Sinne des Mandanten beantworten. Die Vorbereitung einer solchen Verhandlung beinhaltet aber auch Tätigkeiten wie Due Diligence, Recherchen, Gespräche mit Mandanten, Erstellung von Gutachten etc. Auch die Einbeziehung von Kollegen anderer Rechtsgebiete ist an der Tagesordnung. Diese Aufgaben werden nicht mehr von einem Einzelnen übernommen, stattdessen werden fachübergreifende Projektteams zusammengestellt, die gemeinsam an dem Fall arbeiten. Am Ende steht dann ein hoffentlich erfolgreicher Abschluss des Projekts zur Zufriedenheit der Mandantschaft. Natürlich müssen bestimmte Fälle auch vor Gericht vertreten werden. Die Vorbereitung und Durchführung dieser Prozesse machen ebenfalls einen großen Teil der anwaltlichen Arbeit aus.

Abschließend bleibt daher die Frage, ob es den „Alltag“ für einen Anwalt überhaupt gibt. Sicherlich gewinnt man im Laufe der juristischen Karriere an Erfahrung, Abläufe wiederholen sich und spielen sich ein. Auch durch die ständigen Veränderungen in der Gesetzgebung kann man von Routine nicht sprechen.Was die Arbeit vom Alltag unterscheidet, sind die Menschen. Die Zusammenarbeit mit Kollegen und Mandanten wird sicherlich immer wieder neu sein und Herausforderungen warten an jeder Ecke. Ist die Arbeit eines Anwalts mehr als nur Bücher wälzen? Ja. Probieren Sie es aus.

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Quelle NJW 20/2013