War for Talents – die Suche von Kanzleien und Rechtsabteilungen nach Leistungsträgern und Führungskräften

von Dr. iur. Bernhard Labudek, Geschäftsführer der auf Juristen spezialisierten Personalberatung INTERNEXUS, München

Die Situation: die Zahl juristischer Spitzenkräfte nimmt ab.

Talentierte Juristen waren schon immer Mangelware, nicht nur unter Berufsanfängern, sondern auch unter erfahrenen Juristen, die für Unternehmen und Kanzleien besonders wertvoll sind.

Betrachtet man die Gruppe der Berufsanfänger allein, so hat sich ihre absolute Zahl in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich reduziert. Laut Statistik des Bundesamtes für Justiz legten in Deutschland in den zehn Jahren zwischen 1996 und 2005 durchschnittlich 10.170 Personen jährlich das Zweite Juristische Staatsexamen erfolgreich ab. In den Jahren 2006 bis 2015 waren es durchschnittlich 8.074 – ein Rückgang um mehr als 20 %. Hauptursache dafür dürfte auch hier die demographische Entwicklung in Deutschland sein.

Der relative Anteil herausragender Juristen an der Gesamtzahl der Berufsanfänger ist indessen wohl weitgehend unverändert. Zumindest gibt es keine belastbaren Anhaltspunkte, wonach sich dieser Anteil erhöht oder verringert hätte. Dies bedeutet, dass die absolute Zahl juristischer Spitzenkräfte abnimmt. Somit wird es schwieriger, sie in ausreichender Zahl zu finden.

Was macht einen talentierten Juristen aus?

Für erfolgreiche Anwälte oder Unternehmensjuristen ist eine besondere Kombination an Qualifikationen, Begabungen und Persönlichkeit in einer Person kennzeichnend – weit mehr als reine Rechtskenntnisse. Existenzsichernde Partner und Partnerinnen einer Kanzlei verfügen etwa über Akquisitionsstärke, Einfühlungsvermögen. Sie handeln unternehmerisch und können sich und andere organisieren. Leistungsstarke Unternehmensjuristen besitzen neben breiter Kenntnis betriebswirtschaftlicher Fragen und Lösungswege eine ausgeprägte Sensibilität für die besonderen Risiken ihrer Unternehmen, sehr gute Kommunikationsfähigkeiten. Sie verstehen die Produkte und den Markt ihres Arbeitgebers. Als General Counsel kommen eine gesamtverantwortliche Haltung und ausgeprägtes diplomatisches Geschick hinzu. Ferner sind zahlreiche Softskills entscheidend, wie etwa Verhandlungsfähigkeiten, Empathie, interkulturelle Kompetenzen und Führungsqualitäten. All das lernt man nicht in der juristischen Ausbildung.

Die Qualifikation für eine berufliche Aufgabe bestimmt sich typischerweise nach den drei Feldern Fachwissen, Erfahrungen und Persönlichkeit. Jedes dieser Felder ist weiter differenzierbar. Insbesondere zur Bestimmung der Persönlichkeit gibt es erprobte Ansätze, wonach die Persönlichkeit in unterschiedliche Dimensionen aufgefächert wird. Hinzu kommt, dass eine Person kein statisches Phänomen ist, sondern sich ständig dynamisch entwickelt. Entscheidend für das Gesamtbild ist daher auch, in welche Richtung sich diese Entwicklung voraussichtlich vollziehen wird.

Worauf kommt es bei der Suche an?

Die Suche und Auswahl der am besten geeigneten Kandidaten ist keine esoterische Geheimwissenschaft oder eine Entscheidung, die nur mit „Bauchgefühl“ zu treffen wäre. Sie ist vielmehr einem rationalen Verfahren zugänglich. Die verschiedenen Dimensionen der Persönlichkeit, ihre Bewertung und die Einschätzung der Entwicklungsdynamik können nach objektiven, nachvollziehbaren Kriterien bestimmt werden. Hierzu haben sich verschiedene Methoden bewährt und durchgesetzt. Wem das zu aufwändig ist, der kann dafür externe Unterstützung holen. Diese einmaligen Kosten sind geringer als vermutet und durch die höhere Treffersicherheit eine lohnende Investition.

Die erste Frage einer professionellen Suche ist stets, wen genau suchen wir?
Die Kanzlei oder das Unternehmen sollte sich neben den formalen Voraussetzungen wie Kenntnissen und Erfahrungen unbedingt klare Vorstellung über die Persönlichkeit des Kandidaten machen.
Etwa: Was sollten genau dessen Stärken sein? In welcher Ausprägung? Was darf er/sie auf keinen Fall haben? Was ist noch hinnehmbar, was ist wünschenswert? Wie sollte er/sie sich in den nächsten drei bis fünf Jahren entwickeln? Wie wird diese Entwicklung festgestellt?

Die nächste Frage ist, wie können wir die gesuchten Spitzenkräfte für uns interessieren?
Um selbst hinreichend attraktiv zu sein und zu bleiben, bedarf es einer Konzentration auf die eigenen Stärken. Diese sollten tatsächlich und nachhaltig vorhanden sein. Nur dann sind sie nach außen glaubwürdig darstellbar. Gerade mittelgroße und kleinere Kanzleien haben hier erhebliches Steigerungspotential. Sie wissen häufig gar nicht, wie interessant sie sein könnten. Dabei ist Geld keineswegs das Entscheidende. Wer sich auch nur oberflächlich mit den Erwartungen der Generation Y an ihre Arbeitgeber beschäftigt hat, muss sich fragen, ob der jüngste Trend, deutlich sechsstellige Eingangsgehälter für Berufsanfänger zu zahlen, vielleicht einfach ein Ausdruck der Bequemlichkeit ist.

Weiterhin ist zu klären, wie die Idealkandidaten anzusprechen sind.
Es gilt, langfristig und gezielt zu suchen. Auch hier können externe Spezialisten helfen. Nur bei einem umfassenden und systematischen Vorgehen kann mit einem Ergebnis gerechnet werden, das nicht nach dem Prinzip der „Stange im Nebel“ gefunden wird. Eine Fehlbesetzung ist in jedem Fall die kostspieligere Variante.

www.internexus.de

Quelle BECK Stellenmarkt 10/2017