Der frischgebackene Absolvent sieht sich nach erfolgreichem Abschluss des 2. Staatsexamens vor die nächste große Aufgabe gestellt: Er muss sich um seinen Berufseinstieg kümmern. Wer die begehrten zwei Prädikatsexamina vorweisen kann, verhandlungssicheres Englisch spricht und vielleicht sogar noch einen Dr. und/oder LL.M. zu bieten hat, dem steht die Welt offen.
Das Gros der Volljuristen allerdings sieht sich mit einer anderen Wirklichkeit konfrontiert und ist gezwungen, sich mit durchschnittlichen oder unterdurchschnittlichen Examensergebnissen auf dem Arbeitsmarkt umzusehen.
Alternativen zu klassischen juristischen Berufen wurden an dieser Stelle bereits aufgezeigt (vgl. NJW 15/2009), daher soll hier der Fokus auf Strategien zum Einstieg in Anwaltschaft oder Justiziariat gelegt werden.
1. Anwaltschaft
Insbesondere die Entscheider in Anwaltssozietäten sind in der Tendenz sehr notenaffin. Gerade in Wirtschaftskanzleien wird die Hürde „zweimal Prädikat“ teilweise sehr strikt gehandhabt, so dass manchmal auch nicht eine Promotion, ein LL.M. oder andere Zusatzqualifikationen die fehlenden Prädikatsexamina ausgleichen können. Übrigens: Das in Stellenausschreibungen genannte Prädikat meint immer die Punktezahl 9 und nicht das sogenannte „kleine Prädikat“ von 6,5 Punkten. Die vielfach gehegte Hoffnung, die Entscheider in den Kanzleien würden die Praxis der Notenvergabe in „strengeren“ Bundesländern besonders berücksichtigen und beispielsweise ein in Bayern abgelegtes Examen wohlwollender betrachten als ein Examen aus einem anderen Bundesland, erfüllt sich nur in Ausnahmefällen.
Wer mit befriedigenden und/oder ausreichenden Abschlüssen in einer wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Kanzlei tätig werden möchte, sollte versuchen, einen Einstieg in einer Anwaltsboutique oder einer Mittelstandskanzlei zu finden. Solche Häuser legen häufig größeren Wert auf Vorerfahrungen der Kandidaten, auf einen roten Faden im Lebenslauf oder auf den Faktor Persönlichkeit. Auch hier finden sich professionelle Strukturen und gute Arbeitsbedingungen; ein Berufseinsteiger kann in solchen Sozietäten sehr viel lernen. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber der typischen Großkanzlei liegt darin, dass die Junganwälte in der Regel von Beginn an umfassender involviert werden, früher direkten Mandantenkontakt haben und eher unmittelbare Verantwortung übernehmen.
Es stellt sich aber die Frage, ob der Kandidat sich sofort möglichst weitgehend auf ein Rechtsgebiet spezialisieren möchte – dann: Boutique – oder ob zunächst eine etwas breitere Aufstellung gewünscht ist – dann: Mittelständler. Anwälte in einer typischen mittelständischen Sozietät können üblicherweise nicht hochspezialisiert tätig sein, da die Personalstruktur es erforderlich macht, dass sie flexibel und in mehreren Rechtsgebieten einsetzbar sind.
Der Vorteil von Anwaltsboutiquen besteht darin, dass diese oftmals ein – auch überregional – sehr hohes Renommee haben und Berufseinsteiger dort eine erstklassige Ausbildung „on the job“ erhalten und ihr Profil schärfen können. Ebenso ist allerdings genauso auch ein gewisses Risiko darin zu sehen, dass sich junge Juristen von Beginn an dergestalt auf ein Rechtsgebiet fokussieren, so dass sie unter Umständen dauerhaft darauf festgelegt sind. Eine breitere Aufstellung hingegen erlaubt es, generalistische Erfahrungen zu sammeln und in der Praxis festzustellen, welches Rechtsgebiet dem Berufsanfänger besonders gut liegt. Dies kann natürlich auch bei der späteren Jobsuche von Vorteil sein, da solche Kandidaten vielfältiger einsetzbar sind.
2. Justiziariat
Die althergebrachte Vorstellung, dass in Rechtsabteilungen generell eine bessere Work-Life-Balance vorzufinden sei und die Anforderungen an die Qualifikationen der Bewerber nicht so hoch seien wie in Kanzleien, sind derart pauschal nicht mehr richtig. Auch Unternehmensjuristen haben z.T. eine sehr hohe Arbeitsbelastung, und zahlreiche Unternehmen sind durchaus strikter geworden, was die Notenvorgaben betrifft.
Nichtsdestotrotz ist der Einstieg in ein Unternehmen ohne Prädikatsexamina tendenziell leichter als der in die Kanzleienwelt. Jedoch ist auch hier zu unterscheiden: Großunternehmen (DAX & Co.) können natürlich weit wählerischer sein als ein nicht ganz so prominentes mittelständisches Unternehmen. Teilweise wird erwartet, dass Inhouse-Juristen neben juristischen auch branchenspezifische Kenntnisse z.B. technischer Art mitbringen, so dass Kandidaten mit solchen Fähigkeiten besonders punkten können.
Ein Vorteil einer Tätigkeit in einem Unternehmen ist, dass die Karriere unbeeinträchtigt durch ein „Up-Or-Out-Prinzip“ in Angriff genommen werden kann. Ein auf die Langzeitperspektive gerichteter Blick zeigt zudem, dass Inhouse-Juristen sich grundsätzlich ganz auf ihre Tätigkeit konzentrieren können und sich nicht, wie Anwälte ab einem bestimmten Zeitpunkt des Werdeganges, einem unter Umständen nicht unerheblichen Akquise- bzw. Umsatzdruck ausgesetzt sehen.
Vergleichbar der Situation bei Kanzleien gilt auch hier: Je größer das Unternehmen, desto spezialisierter die Juristen. Bei einem Großunternehmen ist ein Syndikus oftmals hochspezialisiert tätig, wogegen z. B. eine dreiköpfige Rechtsabteilung eher aus Generalisten besteht.
3. Grundsatzentscheidung
Vor einer Entscheidung, wo der Berufseinstieg vollzogen werden soll, ist zu bedenken, dass der Weg von der Anwaltschaft in das Justiziariat ein durchaus üblicher ist, während der umgekehrte Weg dagegen nicht ganz so einfach zu beschreiten ist.
Ein Justiziar findet den Weg in eine Kanzlei in aller Regel nur, wenn er entweder aus nebenberuflicher anwaltlicher Tätigkeit über hinreichend transportables Geschäft verfügt oder aber das bisherige Unternehmen als Mandanten in die Kanzlei einbringen kann. In Unternehmen hingegen ist es gern gesehen, wenn ein Syndikus Erfahrung aus vorheriger anwaltlicher Tätigkeit vorweisen kann.
Somit sollte der Absolvent gut abwägen, ob er seinen Berufseinstieg in einer Kanzlei oder einem Unternehmen anstrebt, insbesondere im Hinblick auf mittel- bis langfristige Karrierepläne.