Mentale Starthilfe für Gründer

von Susanne Kleiner

Wer eine eigene Kanzlei eröffnet, hat seine Jura-Examina in der Tasche. Doch die Selbstständigkeit verlangt jungen Anwältinnen und Anwälten vieles ab, was sie in Universitäten nicht gehört haben: persönliche Stärke, ein unterstützendes Netzwerk und die innere Größe, sich mit vermeintlichen Niederlagen zu versöhnen. Denkanstöße für Mutige, die entschlossen sind, ihr eigenes Ding zu machen.

Mischen Sie sich unter Menschen, die dort sind, wo Sie hinwollen

Nicht alle Ihre Mitmenschen sind in der Lage nachzuvollziehen, dass oder warum Sie gründen. Der Klassiker: Familie, Freunde oder ehemalige Kollegen zeichnen Negativszenarien wie „Man weiß ja nie …“, „Als Angestellter weißt du, was du hast“, „Es gibt doch schon so viele Anwälte“ oder „Selbstständig heißt: Du bist selbst und ständig im Einsatz – Urlaub kannst du vergessen“.

Machen Sie sich klar: Dahinter stecken die eigenen Ängste dieser kritischen Zeitgenossen. Als Existenzgründer profitieren Sie von alten Hasen. Als wichtige Impulsgeber kommen auch erfahrene Unternehmer aus anderen Branchen in Frage.

Kommen Sie mit Vorbildern ins Gespräch. Suchen Sie gezielt Veranstaltungen oder Vereinigungen auf, wo Sie Mutmacher kennenlernen. So stärken Sie außerdem Ihren persönlichen Auftritt und bauen ein gutes Netzwerk auf.

Gehen Sie gut mit sich selbst um

Nehmen Sie sich Zeit, um sich Ihre Ziele und Stärken vor Augen zu führen. Reflektieren Sie, was Sie antreibt und gehen Sie beharrlich Ihren Weg. Rufen Sie sich Erfolge aus der Vergangenheit ins Gedächtnis. Erinnern Sie sich an Hürden, die Sie aus eigener Kraft bewältigt haben. Kultivieren Sie einen wertschätzenden inneren Dialog mit sich selbst.

Womöglich klingen in Ihrem Inneren Sätze wie: „Ob das wohl gut geht?“, „Jetzt habe ich einen Fehler gemacht“, „Das wird alles bestimmt schwierig“, „Da muss ich jetzt alleine durch“. Dann schreiben Sie jeweils das positive Pendant auf: „Ich gehe meinen Weg und sammle wertvolle Erfahrungen“, „Ich bringe die besten Voraussetzungen mit, um erfolgreich vorwärtszugehen“, „Es gibt Gleichgesinnte, mit denen ich einen bereichernden Austausch pflege. Freunde und Familie stehen hinter mir.“

Und: Vergegenwärtigen Sie sich, wofür Sie dankbar sind. Starke Persönlichkeiten wissen: Es lohnt sich, derlei Praktiken zu ritualisieren.

Nach wichtigen Gesprächen und Terminen: Notieren Sie, was Sie zufrieden macht und was Ihnen besonders gut gelungen ist. Und schreiben Sie auf, was Sie gelernt haben und das nächste Mal anders machen. Merken Sie etwas? Fehler gehören nicht mehr zu Ihrem Wortschatz.

Und Scheitern ist ein Türöffner, wichtige Lektionen zu lernen und aufrecht weiterzugehen. Dazu gehört auch: Behandeln Sie sich selbst so, als wären Sie schon dort, wo Sie sein wollen. Sprechen Sie in Ihrem Geiste mit sich als erfolgreichem Anwalt und üben Sie Wertschätzung sich selbst gegenüber. Das ist erbaulich – für Sie und andere.

Kultivieren Sie Ihre Rolle als Fürsprecher

Empfehlen Sie andere weiter: Ihren Schreiner, den Zahnarzt, Kfz-Mechaniker, Frisör oder Steuerberater. Ihre Mandanten oder Freunde schätzen es auch, wenn Sie Anwaltskollegen ins Gespräch bringen, die andere Rechtsgebiete betreuen als Sie. Allerdings sollten Sie von deren Kompetenz überzeugt sein. So präsentieren Sie sich als Brückenbauer. Es ist hilfreich bekanntzumachen, dass Sie als Fürsprecher aktiv waren.

Grundsätzlich gilt: Zuerst geben, dann nehmen. Doch Vorsicht vor Verbissenheit. Bleiben Sie locker und lassen Sie den Dingen ihren natürlichen Lauf. Glauben Sie daran, dass diejenigen Mandanten zu Ihnen kommen, die wirklich gut zu Ihnen passen.

Wertvoll ist: Sie präsentieren sich großzügig und selbstbewusst. Und Sie leben vor, dass Sie an sich selbst und an andere glauben. Das wirkt.

Nichts ist umsonst

Manche Aktionen laufen ins Leere. Das ernüchtert. Sie investieren Zeit in umfangreiche Angebote oder Pitches. Oder Sie führen Gespräche mit potenziellen Bewerbern, mit denen Sie nichts anfangen können; oder die sich gegen Sie entscheiden. Erkenntnisfördernd ist: Ein Nein ist ein Wort mit vier Buchstaben – mehr nicht. Nehmen Sie Absagen nicht persönlich.

Die Gründe für Entscheidungen sind vielfältig. Jede und jeder ist frei, zu denken, zu tun oder zu lassen, was für sie oder ihn richtig ist. Bleiben Sie gelassen und machen Sie sich klar: Alles, was Sie tun, tun Sie für sich. Nichts ist umsonst, auch wenn Sie den Nutzen nicht sofort erkennen. Glauben Sie daran, dass Ihr aufrichtiges Engagement einen positiven Effekt hat und sich irgendwann auszahlt – selbst wenn es „nur“ in Form wertvoller Erfahrungen ist. So halten Sie Frust fern und heben die Stimmung.

Setzen Sie sich in Bewegung und zeigen Sie sich

Gehen Sie raus. Halten Sie Vorträge. Umgeben Sie sich mit den Entscheidern, für die Sie gerne arbeiten möchten oder die Sie inspirieren. Netzwerken Sie mit Leichtigkeit und ehrlichem Interesse an den Menschen, die Ihnen begegnen. Ganz wichtig: Jeder Kontakt mit Ihnen darf Spaß machen und entspannt sein.

Auch Ihre Sprache signalisiert das. Experimentieren Sie: Ersetzen Sie jedes „aber“ durch ein „und“, mündlich und schriftlich. Ihre Zeilen schwingen wohlwollender. Und Widerstand schwindet.

Sorgen Sie gut für sich und halten Sie die Balance zwischen dem Job und Aktivitäten, die Ihrem Körper, Ihrem Geist und Ihrer Seele guttun. Das kommt an – sogar bei den anfänglichen Zweiflern.

Über die Autorin:

Susanne Kleiner
Kommunikationsexpertin, Autorin,
Texterin, Trainerin (dvct) und Coach (dvct)
in Freiburg im Breisgau

www.susanne-kleiner.de

Quelle BECK Stellenmarkt 2/2020