Der LL.M. im Europarecht am College of Europe

Von Leon Züllig, LL.M.

Wer sich für Europa im Allgemeinen und Europarecht im Besonderen interessiert, ist in Brügge am richtigen Ort. Doch der zweisprachige Master ist weit mehr als »nur« ein LL.M. Studium – es ist eine fachlich wie persönlich intensive Erfahrung, die Lebenswege und Karrieren nachhaltig prägt und in dieser Gestalt wohl einzigartig ist.

Warum Brügge?

Der Anspruch des Programms ist es, die Studierenden in allen zentralen Gebieten des Europarechts auf höchstem Niveau auszubilden. Hierzu kommen renommierte Professorinnen und Professoren aus ganz Europa nach Brügge, die sogenannte »flying faculty«. Um die optimale Balance zwischen wissenschaftlichem Anspruch und Praxisnähe zu gewährleisten, kommen Dozierende aber auch von der EU-Kommission, dem EuGH, dem EGMR und internationalen Organisationen.

Die Besonderheit am Studium in Brügge ist jedoch, dass die etwa 300 Studierenden aus über 50 Ländern während des zehnmonatigen Programms nicht nur zusammen lernen, sondern auch eng zusammenleben. Hierdurch entstehen Freundschaften, die oft lange über die Zeit am College hinaus halten.

Ein Abschluss am College of Europe eröffnet Karrierechancen sowohl bei den EU-Institutionen, bei internationalen Organisationen, NGOs oder nationalen Ministerien wie auch in der Privatwirtschaft. Laut Umfragen haben über 8% der EU-Amtsträgerinnen und EU-Amtsträger in Brügge studiert, weswegen das College of Europe oft als die »Kaderschmiede der EU« bezeichnet wird.

Das Bewerbungsverfahren

Das Bewerbungsverfahren ist vergleichsweise aufwendig und in eine schriftliche und eine mündliche Phase gegliedert. Übersteht man Erstere, folgt ein Gespräch mit einer interdisziplinären Auswahlkommission. Dieses findet auf Englisch, Französisch und Deutsch statt.

Eine Vorbereitung darauf ist nur bedingt möglich, jedoch sollte man in Sachen Europa auf dem aktuellen Stand sein und gegebenenfalls auch die Sprachkenntnisse noch einmal aufpolieren. Für Juristinnen und Juristen, die eine oder vielleicht schon zwei mündliche Examensprüfungen hinter sich gebracht haben, ist diese Herausforderung aber gut machbar.

Finanzierung

Die Studiengebühren von 26.000 € erscheinen im europäischen Vergleich hoch. Abschrecken lassen sollte man sich hiervon jedoch nicht, da die Gebühren auch Unterkunft, Vollverpflegung sowie verschiedene Study Trips umfassen. Dazu kommt, dass die meisten deutschen Studierendenein Stipendium erhalten und somit lediglich ein Eigenanteil von ca. 7.500 € verbleibt.

Vor Ort in Brügge

Hat man es geschafft und tritt im September die Reise nach Brügge an, erwartet einen das »Venedig des Nordens« mit seinen Kanälen, Parks und mittelalterlichen Kirchen in spätsommerlicher Schönheit. Alle Studierenden erhalten ein Zimmer mit Bad in einem der über die pittoreske Altstadt verteilten Wohnheime. Das Leben im Wohnheim mag anfangs gewöhnungsbedürftig sein, bietet jedoch Raum für spannende Begegnungen und ist die Grundlage für ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Und wird es einem in Brügge doch mal zu eng, sind Brüssel, Gent und das Meer nicht weit.

Das Studium

Inhaltlich ist das Programm anspruchsvoll und die Arbeitsbelastung konstant hoch – selbst im Vergleich zum deutschen Staatsexamen. Die Konfrontation mit unterschiedlichen Lehrstilen und die strenge Zweisprachigkeit (Englisch/Französisch) sind herausfordernd, allerdings schweißt das auch zusammen und man kann stets auf die Solidarität der anderen Studierenden zählen.

Während der Fokus im ersten Semester auf dem europäischen Verfassungs-, Binnenmarkt- und Wettbewerbsrecht liegt, kann man im zweiten Semester aus einer Vielzahl von Seminaren auswählen: Vom Auswärtigen Handeln der EU über das Beihilfen- bis zum Welthandels-, Migrations- oder Umweltrecht ist hier für jeden Geschmack etwas dabei.

Zusätzlich bieten interdisziplinäre Kurse eine tolle Möglichkeit, über den juristischen Tellerrand hinaus zu blicken. Und wer immer noch nicht genug hat, kann zusätzlich einen der vielen Sprachkurse belegen.

Das Studium ist sehr interaktiv: In vielen Veranstaltungen sind Präsentationen und rege Diskussionen an der Tagesordnung. Hier offenbart sich auch das Besondere des Studiums auf einem Campus, der wortwörtlich ganz Europa versammelt: Wo sonst kann man morgens in der Vorlesung mit Studierenden aus Polen über Rechtsstaatlichkeit diskutieren, beim Mittagessen mit irischen Kommilitonen und Kommilitonen über Datenschutz sprechen und sich abends in einer Bar mit britischen Studierenden über den Brexit austauschen?

Auch das Campusleben außerhalb des Curriculums ist lebendig und bietet viel Raum für Eigeninitiative. Highlight sind die »National Weeks«, in denen die Studierenden mit viel Einsatz und Kreativität ihre Heimatländer präsentieren. Auch die Hochschulgruppen decken ein weites Spektrum ab und bieten von Geschlechtergleichheit über Umweltschutz hin zu Grund- und Menschenrechten auch Raum für kritische Auseinandersetzung mit dem »Projekt Europa«.

Und danach?

Den Großteil der Absolventinnen und Absolventen verschlägt es direkt im Anschluss nach Brüssel in die »Eurobubble« – teilweise gründen Freundeskreise dort gleich ganze WGs. Sicher ist, dass man in Brüssel und Europa nach einem Jahr in Brügge nie einsam sein wird!

 

Über den Autor:

Leon Züllig, LL.M.
studierte Rechtswissenschaften an der Universität Passau, der Universität São Paulo und am College of Europe in Brügge. Aktuell ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Öffentliches Recht und Europarecht (Prof. Dr.Jürgen Bast) an der Justus-Liebig-Universität Gießen und promoviert im Bereich Europäisches Verfassungsrecht und Migrationsrecht.

 

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