Law Clinics – die ideale Verbindung von Theorie und Praxis

von Jan-Rasmus Schultz, Diplom-Jurist und angehender Promotionsstudent an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Anfang 2011 hat die juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin eine der ersten Law Clinics in Deutschland eröffnet. In der Folgezeit wurden deutschlandweit in 28 weiteren Städten Law Clinics mit unterschiedlichen Schwerpunktbereichen errichtet, so dass ratsuchenden und hilfsbedürftigen Menschen nunmehr zahlreiche Anlaufstellen für Fragen rund um die deutsche und europäische Rechtsordnung zur Verfügung stehen.

Insbesondere an den juristischen Fakultäten der Universitäten ist die Nachfrage groß – sowohl auf Seiten der Ratsuchenden als auch auf Seiten derjenigen, die ihre Hilfe anbieten und sozial Benachteiligte aktiv unterstützen möchten. Doch worauf basiert das Konzept der Law Clinic eigentlich und weshalb beteiligen sich Studenten so zahlreich und regelmäßig an der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung dieses Beratungsnetzwerkes?

Konzeption und Tätigkeitsfelder der Law Clinics

Das Konzept der ursprünglich aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum stammenden Law Clinics besteht aus der Schaffung von Beratungsstellen für sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen, die eine kostenpflichtige Rechtsberatung aufgrund von Mittellosigkeit nicht in Anspruch nehmen können.

Die Mitarbeiter der Law Clinics verfolgen dabei das Ziel, die Hilfesuchenden umfassend zu beraten und etwaige rechtliche oder soziale Konflikte beizulegen. Dieses Konzept wurde in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und auf die aktuellen gesellschaftlichen und tagespolitischen Problemfelder zugeschnitten, so dass die Law Clinics in Deutschland derzeit vor allem mit Fragen rund um das Ausländer- und Asylrecht befasst sind. Jedoch beschränkt sich das Angebot keinesfalls auf diese Rechtsgebiete, sondern umfasst neben den Grund- und Menschenrechten auch das Internet- und Medienrecht, das Verbraucherschutzrecht sowie das Arbeits- und Sozialrecht.

Hinzu kommen einige Law Clinics, die sich auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisiert haben. So bietet etwa die Cyber Law Clinic Hamburg Sprechstunden an, die speziell auf Rechtsfragen von Selbstständigen, kleineren Agenturen oder Start-Up Unternehmen zugeschnitten sind. Die Spannweite der Tätigkeit reicht hierbei von der Beratung in rechtlichen Angelegenheiten über die Hilfestellung bei Behördengängen bis hin zu der Beilegung von Konflikten und der Klärung strittiger Rechtsfragen.

Law Clinics: Zusammenarbeit von Studierenden und Praktikern

Der besondere Reiz an der Tätigkeit für eine Law Clinic besteht in der engen Zusammenarbeit von Professoren, Praktikern und Studenten. Hierdurch wird letzteren die Möglichkeit eröffnet, bereits während der Studienzeit Erfahrungen mit der Bearbeitung juristischer Sachverhalte zu sammeln und vielschichtige Einblicke in den Bereich der praktischen Rechtsanwendung zu erhalten. Die Handlungsmaxime lautet hierbei stets „learning by doing“ – hierdurch können angehende Juristen nicht nur ihr theoretisches Wissen unmittelbar mit der konkreten Fallbearbeitung verknüpfen und sich dadurch die gängigen juristischen Grundlagen nachhaltig aneignen. Sie profitieren darüber hinaus auch von der unterstützenden Begleitung seitens der Professoren und Rechtsanwender, durch die einerseits erste Kontakte, die für eine spätere berufliche Laufbahn von Nutzen sein können, geknüpft werden und andererseits eine optimale und erfolgsversprechende Beratung der Hilfesuchenden gewährleistet wird.

Law Clinic: Was genau erlernen die angehenden Juristen?

Die Mitarbeit in einer Law Clinic bietet den Studenten zahlreiche Vorteile. Sie werden in die Gesprächsführung mit Mandanten eingeführt, erlernen die vollständige und geordnete Erfassung einzelner Sachverhalte und werden in den Bereichen der Beratungsfähigkeit und des Verhandlungsgeschicks gezielt gefördert.

Zudem erfordert die Bearbeitung der jeweiligen Sachverhalte ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, wodurch die Studenten die für ihre spätere berufliche Laufbahn bedeutsamen Aspekte des Zeit- und Fristenmanagements bereits frühzeitig kennenlernen.

Durch den regelmäßigen Umgang mit juristischen Fragestellungen und Problemkonstellationen wird auch die Analyse- und Argumentationsfähigkeit ausgebaut, so dass die Studenten von ihrer Mitarbeit in einer Law Clinic bereits während des Studiums, etwa bei der Anfertigung einer Hausarbeit, profitieren können.

Darüber hinaus wird die Mitarbeit in einer Law Clinic am Ende eines Semesters mit einem Zertifikat honoriert. An manchen Universitäten können sogar Creditpoints erworben oder die erbrachte Beratungstätigkeit als Schwerpunktbereichs- oder Schlüsselqualifikationsleistung anerkannt werden.

Law Clinics ermöglichen somit, dass die beteiligten Studenten und die Ratsuchenden voneinander profitieren. Aus diesem Grund hat sich das Beratungsangebot der Law Clinics in den vergangenen fünf Jahren erheblich ausgeweitet und wird auch derzeit gezielt weiterentwickelt, etwa dadurch, dass nunmehr nicht nur Studenten der Rechtswissenschaften, sondern auch solche der Sprachwissenschaften ihre Hilfe anbieten, um Sprachbarrieren überwinden und dadurch Hilfesuchenden aller Nationalitäten gerecht werden zu können.

Als Ausdruck von Solidarität und Hilfsbereitschaft haben sich die Law Clinics den aktuellen und vergangenen gesellschaftspolitischen und sozialen Konfliktfeldern erfolgreich entgegengestellt und unzählige Ratsuchende aktiv unterstützt. Der weitere Ausbau dieses Beratungsnetzwerkes darf daher, wie vielerorts, mit Spannung verfolgt werden.

Weitere Informationen, Tipps und Literatur zu Studium und Referendariat finden Sie auf beck-shop.de. 
Übrigens: Testen Sie die NJW und die Ausbildungszeitschriften JuS und JA jetzt kostenlos im Probeabo.
Quelle BECK Stellenmarkt 20/2016