Berufsbilder: Der Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

von Malte Drews

Ganz grundsätzlich dient der Fachanwaltstitel zwei Zwecken: Einerseits soll der Titelträger durch die jeweiligen Lehrgänge und (zwangsläufige) Beschäftigung mit entsprechenden Fällen besonders qualifiziert und spezialisiert werden. Andererseits dient der Titel aber auch als „Aushängeschild“, das es potenziellen Mandanten ermöglichen soll, gerade den Spezialisten ausfindig zu machen, der für ihre Angelegenheit am besten geeignet ist.

Insbesondere letztere Funktion bereitete im internationalen Wirtschaftskontext bisher Probleme. Zwar gab es auch vor Einführung des Fachanwalts für Internationales Wirtschaftsrecht etwa den Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht oder denjenigen für Handels- und Gesellschaftsrecht, allerdings implizieren beide Titel nicht, dass auch ausgewiesene Kenntnisse für internationale Zusammenhänge beim jeweiligen Titelträger bestehen. Nicht zuletzt deshalb wurde im Jahr 2014 der Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht eingeführt.

Dieser richtet sich vornehmlich nicht bloß an Anwälte in Großkanzleien, sondern insbesondere an Berufsträger in mittelständischen Kanzleien, denn  diese haben häufig mit grenzüberschreitenden wirtschaftsrechtlichen Sachverhalten zu tun.

Fachlich muss der Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht dabei ein breites Spektrum abdecken:

Zunächst muss er sich im Internationalen Privatrecht auskennen, das heißt also mit kollisionsrechtlichen Fragestellungen umgehen können. Hierbei handelt es sich um ein oftmals ausgespartes Rechtsgebiet, das sich damit auseinandersetzt, welche Rechtsordnung auf den grenzüberschreitenden Sachverhalt anwendbar und wie dies zu bestimmen ist. Korrespondierend dazu muss er sich auch im internationalen Verfahrensrecht und vor allem auch im internationalen Schiedsverfahrensrecht auskennen. Denn in internationalen Sachverhalten werden oftmals Vereinbarungen getroffen, die im Falle eines Rechtsstreits dazu führen, dass dieser vor einem Schiedsgericht ausgetragen wird. Hier gibt es nämlich oft international einheitliche Verfahren, die es entbehrlich machen, dass sich der mandatierte Anwalt in das Prozessrecht einer anderen Jurisdiktion einarbeiten muss.

Selbstverständlich muss sich der Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht auch mit internationalen materiell-rechtlichen Fragestellungen auskennen. Weit vorne stehen dabei umfangreiche Kenntnisse, die das UN-Kaufrecht (CISG) betreffen. Dieses kommt grundsätzlich stets dann zur Anwendung, wenn zwischen gewerblichen Verkäufern ein Warenkauf stattfindet und die Parteien ihre Niederlassung in unterschiedlichen Staaten haben, die jeweils das UN-Kaufrecht ratifiziert haben. Dabei handelt es sich mittlerweile um fast 90 Staaten, sodass dem UN-Kaufrecht auch praktisch eine ganz erhebliche Bedeutung zukommt.

Darüber hinaus hat der Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht umfangreiche Kenntnisse im Bereich des internationalen Handels- und Gesellschaftsrecht nachzuweisen. Im Bereich des Handelsrechts betrifft dies einerseits vor allem die bereits angesprochenen kollisionsrechtlichen Kenntnisse, andererseits aber auch Themen rund um das internationale Kreditsicherungsrecht, etwa wenn Kaufleute aus verschiedenen Ländern miteinander handeln wollen und dafür zunächst von der Gegenseite Sicherheiten benötigen.

Da sich das Gesellschaftsrecht von Jurisdiktion zu Jurisdiktion erheblich voneinander unterscheiden kann, beziehen sich die erforderlichen Kenntnisse auch hier vor allem auf kollisionsrechtliche Fragestellungen, das heißt also, nach welchem Sachrecht sich die Rechtsverhältnisse einer Gesellschaft bestimmen.

Ebenfalls müssen aber auch Kenntnisse darüber nachgewiesen werden, wie eine Gesellschaft ihren Sitz von einem Staat in einen anderen verlegen kann. Auch muss sich der Fachanwalt – zumindest überblicksweise – im internationalen Steuerrecht auskennen, um etwa bei Beratungen zur avisierten Gesellschaftsform auch auf die praktisch äußerst wichtige steuerrechtliche Beurteilung eingehen zu können.

Weiterhin muss er mit dem europäischen Beihilfen- und Wettbewerbsrecht vertraut sein, welches durch die zunehmende Vernetzung innerhalb der Europäischen Union immer relevanter wird. Einen weiteren nicht zu unterschätzenden Faktor stellen Regelungen dar, die die Korruptions-, Betrugs- und Geldwäschebekämpfung betreffen und durch verschiedene Abkommen international immer weiter vereinheitlicht werden.

Neben diesen spezifisch wirtschaftsrechtlichen Thematiken muss sich der Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht auch mit allgemeinen Fragestellungen auseinandersetzen, die grenzüberschreitende Sachverhalte oftmals aufwerfen. Dabei kann es etwa darum gehen, ob der Mandant und die möglichen Angestellten des Mandanten für ihre Tätigkeit ein Visum oder eine Aufenthaltsgenehmigung benötigen.

Auch müssen gegebenenfalls – vor allem beim Eintritt des Mandanten in fremde Märkte – Kontakte zu Förderungseinrichtungen, Dienstleistern und Kreditinstituten hergestellt werden, um dem Unternehmen einen möglichst reibungslosen Start zu ermöglichen.

Insgesamt zeigt sich also, dass der Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht ein ausgewiesener Spezialist auf seinem Gebiet ist, der aber auch über den Tellerrand hinausblicken muss, um seinem Mandanten die bestmögliche Beratung und Unterstützung anbieten zu können. Dabei dürfte seine Tätigkeit angesichts der zügig fortschreitenden Globalisierung immer mehr an Relevanz gewinnen.

Über den Autor:

Malte Drews
Diplom-Jurist, Promotionsstudent an der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und
wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer
mittelständischen Kanzlei

Quelle BECK Stellenmarkt 7/2020