Interview mit Ute Bolz-Fischer, Stimmcoach und Stimmbildnerin

Interview mit Ute Bolz-Fischer im BECK Stellenmarkt Interview

Mit der Stimme überzeugen: Wir haben mit Frau Ute Bolz-Fischer, Stimmcoach und Stimmbildnerin für Juristinnen und Juristen in einem Interview über die Bedeutung der Stimme gesprochen. Welchen Einfluss die Stimme in Gesprächen, Videokonferenzen und Co. hat, erfahren Sie im ersten Teil des zweiteiligen Interviews.

BECK Stellenmarkt: Frau Bolz-Fischer, welchen Einfluss hat die Stimme im Bewerbungsgespräch? 

Bolz-Fischer: Einen sehr großen. Bei einem Bewerbungsgespräch geht es darum, das Gegenüber davon zu überzeugen, dass man für die ausgeschriebene Position die oder der Richtige ist. Dies ist natürlich eine Situation, die jeden Menschen nervös macht. Manche mehr, andere weniger. Aber bei vielen Menschen ist es eben so, dass vor einem Bewerbungsgespräch die Hände ein bisschen schwitzig sind und die Stimme leider zittrig wird, wenn man sie nicht gut im Griff hat.

Eine amerikanische Studie hat herausgefunden, dass der erste Eindruck von einem fremden Menschen schon nach 20 Sekunden feststeht. Man fällt ein schnelles Urteil, das dann erstmal wieder revidiert werden muss. Und bei diesem ersten Eindruck geht es natürlich maßgeblich um die stimmliche Präsenz.

Wer am Anfang eines Bewerbungsgesprächs, wenn die Nervosität noch am schlimmsten ist, nicht in der Lage ist, geradeheraus, ohne Zittern in der Stimme „Guten Tag“ zu sagen, hat schon verloren. Im schlimmsten Fall hüstelt und räuspert man sich durch das Gespräch. Das wirkt nicht überzeugend. Und auch nicht sympathisch. Und vor allem nicht kompetent.

"Mit einer gut trainierten Stimme wirkt man selbstsicher"

BECK Stellenmarkt: Welche Rolle spielt die Stimme für Juristinnen und Juristen?

Bolz-Fischer: Eine besonders große, die leider nicht notwendigerweise stets anerkannt wird. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass das Medium, das die Botschaft transportiert, also die Stimme, sehr oft wichtiger ist als die Botschaft selbst. Das dürfte nicht allgemein bekannt sein.

In Verhandlungen und Mandantengesprächen, bei der Akquise und bei Pitches muss man als Anwalt oder Anwältin überzeugend wirken. Und das wird eben zu einem nicht unerheblichen, wenn nicht sogar entscheidenden Teil auch über die Stimme transportiert. Es geht schließlich um einen kommunikativen Beruf.

Mit einer gut trainierten Stimme wirkt man nicht nur selbstsicher, sondern die eigene Stimme kann sogar zu einem anwaltlichen Marketinginstrument werden. Wir alle kennen Menschen, deren Stimme einfach unverkennbar ist, sei es die unseres liebsten Radiomoderators oder von jemanden, den wir regelmäßig am Telefon hören. Ein solcher Wiedererkennungswert kann auch für das anwaltliche Image arbeiten.

In Kanzleien und Firmen geht es oft um das Thema Dresscode oder die Ausgestaltung der Räumlichkeiten. Das sind natürlich gleichfalls wichtige Aspekte der Wirkungsweise auf andere. Die Stimme wird in diesem Zusammenhang jedoch leider zu oft vernachlässigt. In besonderem Maße gilt das im Umgang mit Mandantinnen und Mandanten: Anwältinnen und Anwälte müssen vermitteln, dass man ihnen vertrauen kann.

Eine angenehme und klangvolle Stimme wirkt nicht nur sympathisch, sondern vor allem auch kompetent. Das hat mehr mit zwischenmenschlicher Wahrnehmung als mit Fachexpertise zu tun. Natürlich braucht man die zur Ausübung des Berufs auch, aber um Mandanten für sich zu gewinnen, zählen andere Dinge, denn die können im Zweifel das juristische Know-how nicht beurteilen.

Dazu ein Beispiel: Sie haben einen Termin bei einem Anwalt. Er hat die besten Referenzen, ist promoviert, aber bei der ersten Begegnung stellt sich heraus, dass er eine sehr leise, piepsige Stimme hat, die nicht recht zu seinem stattlichen Erscheinungsbild passen will. Er hustet oft und räuspert sich ständig. Würden Sie so jemandem zutrauen, dass er Sie z. B. vor Gericht mit Bestimmtheit vertritt? Oder mandatieren Sie vielleicht lieber jemanden, der selbstsicher klingt, als könnte er sich in Verhandlungen auch wirklich durchsetzen? Ich denke, die Antwort liegt auf der Hand.

"Durch die neuen Kommunikationsformen ist es noch viel wichtiger geworden, stimmlich gut aufgestellt zu sein"

BECK Stellenmarkt: Inwieweit hat die Stimme in Zeiten von Online-Meetings und Videokonferenzen an Bedeutung gewonnen?

Bolz-Fischer: Die neue Arbeitswelt, die vor allem durch Corona vorangetrieben wurde, macht unserer Stimme zu schaffen. In Präsenz ist man mit dem ganzen Körper anwesend, kann bestimmte Dinge über die Körpersprache ausdrücken. In Online-Meetings und Videokonferenzen kann man sich auf diesen „Luxus“ nicht mehr zurückziehen.

Dreh- und Angelpunkt dieser Kommunikationsform ist die Stimme, sie muss nun zusätzlich all das transportieren, was sonst teilweise der Körper übernimmt. Und dabei wird es ihr durch die technische Übertragung nicht leicht gemacht. Jedes Mikrofon – ob in einen Computer eingebaut oder separat aufgebaut – komprimiert die Frequenzen, die von der Stimme freigesetzt werden, um sie technisch übertragen zu können. Unsere Stimme wird also digital beschnitten.

Wer hoch spricht, was insbesondere Frauen betrifft, aber Männer nicht ausnehmen soll, wird hier besonders benachteiligt, da es gerade die hohen Frequenzen sind, die der Kompression zum Opfer fallen.

Um es wieder an einem Beispiel zu verdeutlichen. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Videocall mit jemandem, der lispelt – ein Sprachfehler, den man durch stimmliches Training in den Griff bekommen kann. Durch das Mikrofon werden Zischlaute besonders gut hörbar übertragen. Dieser Sprachfehler wird also bei den Zuhörerinnen und Zuhörern im besagten Call nicht für ein besonders angenehmes Hörerlebnis sorgen. Darunter leidet dann auch die Aufmerksamkeit für das Gesagte.

Diese technischen Tücken verursachen immer, dass eine starke Stimme ihre Stärken gut entfalten kann, eine nicht gut ausgebildete Stimme jedoch noch weniger überzeugend wirkt, als es in Präsenz der Fall wäre. Alles in allem ziemlich unfair, aber technisch leider nicht zu vermeiden. Deshalb ist es durch die neuen Kommunikationsformen noch viel wichtiger geworden, stimmlich gut aufgestellt zu sein.

 

To be continued...

Im Teil 2 des Interviews geht es darum, wie man an der eigene Stimme arbeiten kann. Frau Bolz-Fischer erzählt dabei insbesondere von ihrem Stimmtraining, das speziell auf die hohen An­forder­ungen von Juristinnen und Juristen ausgerichtet ist. 

 

Über die Interviewpartnerin:

Ute Bolz-Fischer M.A.
Stimmbildnerin und Stimmcoach
für Juristen

https://law-and-voice.de/

Das Gespräch führte:

Veronika Gebertshammer
Diplom-Juristin