Karriereplanung und Recruiting von Juristinnen – durch die Brille einer Personalberaterin

von Nicola Elsner

Frau Elsner ist seit über 15 Jahren als Personalberaterin tätig und schildert uns im Interview, welche Beobachtungen sie in dieser Zeit machen konnte, was sich aktuell verändert und wie sich Karriereplanungen und -ziele über die Jahre entwickelt haben – nicht nur bei Juristinnen, sondern geschlechterübergreifend.

Frau Elsner, Sie sind Juristin und vermitteln heute Fach- und Führungskräfte aus den Bereichen Legal, Compliance und Datenschutz – was hat Sie an der Tätigkeit als Personalberaterin gereizt?

Ich war damals als Anwältin mit Fokus auf das Arbeitsrecht tätig. Das war zwar spannend, aber viele Mandate kamen erst, wenn das Kind gefühlt schon in den Brunnen gefallen war. Ich wollte gerne etwas früher ansetzen und hatte mich auf die Suche nach einer Legal-Counsel-Position mit einer Schnittstelle zu operativen HR-Themen begeben. Im Zuge der Suche bin ich auf die Personalberatungsbranche – und dann auf eine Anzeige eines Unternehmens gestoßen, das explizit Juristen gesucht hat für die juristische Personalberatung von Unternehmen und Kanzleien. Das war die fantastische Gelegenheit, an den Anfang einer arbeitsrechtlichen Beziehung gehen zu können, um mit dafür Sorge zu tragen, dass die richtigen Köpfe zusammenkommen und gemeinsam (noch) erfolgreicher werden.

Sind Jurist*innen denn Ihrer Erfahrung nach „herausfordernder im Handling“ bzw. „schwerer zu vermitteln“, als Compliance-Beauftragte bzw. Datenschützer?

Nein. In jeder Vermittlung steckt die eine oder andere Herausforderung. Das kann man aber nicht an bestimmten Aufgaben oder der Ausbildung festmachen.

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Ihre Tätigkeit ausgewirkt, im Guten, wie im Schlechten?

Schön zu sehen ist, dass wir im Denken und Handeln etwas flexibler geworden sind, was es für manche Kandidaten interessanter macht, über einen Jobwechsel nachzudenken. Die Flexibilität des Arbeitsorts ist inzwischen gang und gäbe. Hybride Arbeitsmodelle waren vor der Pandemie in vielen Kanzleien/Unternehmen undenkbar, jetzt werden sie sich durchsetzen.

Steigende Inzidenzen haben meiner Beobachtung nach aber auch eine sinkende Wechselmotivation mit sich gebracht. Das konnte ich gut nachvollziehen: die Einschränkungen im öffentlichen Leben und Beeinträchtigungen im Privaten führen eben dazu, dass man sich fragt, ob man nicht den anvisierten Jobwechsel doch noch ein paar Monate nach hinten verlagert. Das hat es erschwert, passende Kandidaten für offene Positionen zu finden, und gleichzeitig gezeigt, wie wichtig ein funktionierendes Netzwerk ist.

Der „War of Talents“ ist ja ein Dauerthema – und wird sicher auch in absehbarer Zeit eine der Herausforderungen für viele Lawfirms und Unternehmen bleiben – wie kommen Sie eigentlich zu den Kandidatinnen und Kandidaten, die Sie vermitteln?

Ich bin seit 2007 als Personalberaterin tätig. Über die Zeit baut man ein ganz beachtliches und belastbares Netzwerk an Juristinnen und Juristen auf. Ich freue mich, immer wieder weiter empfohlen zu werden. Und natürlich nutze ich auch die beruflichen Netzwerke XING und LinkedIN, um gezielt und vorsichtig Individuen anzusprechen, die ich mir aufgrund des Profils gut für eine Position vorstellen könnte, die ich besetze.

Ein weiteres zentrales Thema im Legal Recruiting ist die Frauenquote. Gerade in der Equity-Partnerschaft vieler Sozietäten in Deutschland sind Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert – woran liegt das Ihrer Einschätzung nach primär?

Gut Ding braucht Weile! Frauen in Equity-Partnerschaftspositionen heute sind zu einem Zeitpunkt in das Berufsleben eingestiegen, als die Frauenquote noch nicht so omnipräsent war. Viele ihrer Kolleginnen sind mit der Zeit ganz selbstverständlich in Inhouse Rollen gewechselt – auch weil ihnen vielleicht die weiblichen Partner-Vorbilder in den Kanzleien gefehlt haben, die ihnen hätten aufzeigen können, was alles möglich ist. Auch wenn Frauen heute in der Partnerschaft noch unterrepräsentiert sind, so haben junge Anwältinnen doch inzwischen weitaus mehr tolle Vorbilder. Eins darf bei der Thematik nicht vergessen werden: unabhängig vom Geschlecht empfinden viele top-qualifizierte Juristen die Equity-Partnerschaft gar nicht mehr als so erstrebenswert. Die Arbeitszeiten auf dem Weg dahin, der Umsatzdruck, die regelmäßige und nachhaltige Akquise, Kanzleimanagement und Personalverantwortung sind für manche einfach nicht mehr mit ihrem eigenen Lebensmodell vereinbar.

Sehen Sie in der Praxis denn konstruktive Lösungsansätze, wie dieses Thema effektiv angegangen wird?

Die HR-Konzepte können noch so gut sein, noch so flexibel und innovativ – sie müssen in den Kanzleien gelebt werden und jeder Partner, jede Partnerin muss sich darüber im Klaren sein, dass er bzw. sie auch eine Vorbildfunktion hat. Netzwerke in Kanzleien, Mentorenprogramme, um den Austausch zwischen Berufsanfängern, Associates, Counsel und Partnern auch unabhängig von der Mandatsarbeit zu fördern, helfen dabei, auch die verschiedenen Interessen besser zu verstehen.

Oder haben viele TOP-Juristinnen vielleicht gar nicht die Ambition, diesen Karriereweg zu beschreiten?

Wie gesagt, ich weiß gar nicht, ob man das heutzutage auf Top- Juristinnen beschränken kann. Juristen aller Geschlechter haben so wahnsinnig viele Möglichkeiten, ihren Karriereweg zu gehen: in ein Wirtschaftsunternehmen, zum Staat, in Stiftungen, Verbände oder Start-ups. Manche gehen ganz raus aus der reinen Juristerei, manche gehen zum Fernsehen. Der Weg in die Partnerschaft ist einer von vielen.

Inwieweit unterscheidet sich Ihrer Erfahrung nach die Selbsteinschätzung von Juristinnen bzw. Juristen, wenn es um die „Frage nach dem eigenen Marktwert“ geht?

Es sind immer noch Unterschiede bemerkbar, allerdings deutlich weniger stark als noch vor ein paar Jahren. Männer verkaufen sich meiner Erfahrung nach tendenziell besser als Frauen und treten zumeist etwas selbstbewusster auf. Frauen neigen dazu, Erreichtes als Selbstverständlichkeit anzusehen, das man gar nicht mehr betonen muss. Sie haben manchmal auch ‚Angst vor der eigenen Courage‘ und brauchen an der einen oder anderen Stelle einfach ein bisschen Zuspruch, um neue, unbekannte Dinge anzupacken und mit ihrem vorhandenen Know-how zu meistern.

Wenn es um die Beratung und Vermittlung zum nächsten Karriereschritt geht, gibt es dabei typische „männliche bzw. weibliche“ Themen und Wünsche, die Ihnen in Ihrer Arbeit immer wieder begegnen?

Die Themen werden zunehmend individueller, gar nicht spezifisch unterschiedlich, was die Geschlechter anbelangt. Allen gemeinsam ist der Wunsch nach einer herausfordernden, spannenden Tätigkeit, der Möglichkeit, gefordert und gefördert zu werden, und das eben nicht nur im ersten Jahr nach dem Wechsel, sondern auch langfristig. Daneben kommen ganz interessante individuelle Wünsche, beispielsweise die Möglichkeit, für ein paar Wochen im Jahr von einem ganz anderen Ort aus arbeiten zu können, Sabbaticals, um eine lang geplante Reise anzugehen, oder auch Teilzeitmodelle – nicht nur von Vätern oder Müttern, sondern auch von Juristen, die parallel an der Dissertation arbeiten, ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgehen oder einfach etwas mehr Zeit für ganz andere Themen haben möchten.

Welche Tipps würden Sie gerne jungen Juristinnen bei der Karriereplanung an die Hand geben, die eine Partnerschaft in einer großen Wirtschaftskanzlei anstreben?

Nutzen Sie Praktika im Studium, das Referendariat und Gespräche mit Freunden, der Familie, Berufserfahrenen und Personalern, um die für die eigenen Vorstellungen passende Kanzlei für die ersten Berufsjahre zu finden. Suchen Sie sich Vorbilder in der Kanzlei und hinterfragen Sie immer wieder den Status quo. Vielleicht bringt ein Wechsel in eine andere Kanzlei eine neue, interessante Perspektive? Vielleicht stellen Sie aber durch solche Gedankengänge auch fest, dass der Status quo weiterhin genau richtig für Sie ist. Schauen Sie, dass in der Kanzlei neben der fachlichen Förderung später beispielsweise auch Weiterbildungen zu Führungskompetenzen und Business-Development-Themen angeboten werden. Bleiben Sie neugierig.

Sehr geehrte Frau Elsner, vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Über die Autorin:

Nicola Elsner
Juristin & Personalberaterin
Sie befasst sich schwerpunktmäßig
mit Karriereperspektiven
für Juristinnen.