Wo will ich in fünf oder zehn Jahren sein? Was ist mein berufliches Karriereziel? Wie stelle ich mir meine Familie und mein soziales Netzwerk vor? Welche persönlichen Ziele möchte ich erreichen? Wen will ich dabeihaben? Worauf will ich stolz sein können? Was also soll auf meiner Big Bucket List für mein Leben stehen? – Diese und viele andere Fragen stehen im Raum, wenn es um große Ziele geht. In meinem vorangehenden Artikel in BECK Stellenmarkt Nr. 20/22 habe ich bereits über die grundsätzlichen Schwierigkeiten der Zielfindung geschrieben, aber auch, warum es sich lohnt, sich Ziele zu setzen.
Wie man sich die richtigen Ziele setzt
Zwei Punkte sind mir hier vorab besonders wichtig: Erstens, kein Ziel ist in Stein gemeißelt! Oft besteht die Angst, sich auf ein bestimmtes Ziel festzulegen, und dann davon nicht mehr abweichen zu können. Aber warum sollte das so sein? Wenn Sie auf dem Weg feststellen, dass es besser für Sie wäre, das Ziel zu verändern, dann ist das so. Ziele sind jederzeit adaptierbar. Zweitens, fremde Ziele sind schlechter zu erreichen als eigene. Stellen Sie also sicher, dass Sie es sind, der das Ziel definiert und nicht Ihr Bedürfnis, es Ihren Eltern recht zu machen oder in Ihrem sozialen Umfeld gut dazustehen.
Dies ist eng verbunden mit einer Grundvoraussetzung zur Zieldefinition: Selbsterkenntnis. Je detaillierter Sie sich Ihrer Bedürfnisse, Wünsche, Stärken, Interessen, aber auch Ihrer Baustellen, Ängste und Sorgen bewusst sind, umso sicherer werden Sie in der Wahl Ihrer Ziele werden. Selbstreflexion spielt dafür eine wesentliche Rolle. Ein Modell, das ich für die Reflektion der beruflichen Entwicklung gerne nenne, ist das japanische IKIGAI1. Es veranschaulicht, wie Sie Ihre Berufung finden können durch die Kombination aus dem, was Sie lieben und wofür Sie brennen; dem, was die Welt von Ihnen braucht; dem, womit Sie Geld verdienen können und dem, wofür Sie Talent haben und richtig gut darin sind. Selbst wer die Suche nach dem Sinn des Lebens zu esoterisch findet, kann hier wertvolle Erkenntnisse über die eigene Person gewinnen. Ebenso wichtig ist die Arbeit an negativen Glaubenssätzen, die Sie davon abhalten, sich die Zielsetzungen zu erlauben, die Sie sich wünschen.
Etappenziele auf dem Weg zum großen Ziel
Haben Sie sich ein großes Ziel gesetzt, ist es hilfreich, kleine Etappenziele zu entwickeln. Angenommen, Sie stehen am Beginn des Referendariats und haben sich zum großen Ziel gesetzt, dass Sie eines Tages als General Counsel in einem großen Unternehmen tätig sein möchten. Denkbar wären hier die Zwischenziele Anwaltsstation in einer internationalen Großkanzlei, die für große Unternehmen tätig ist; Wahlstation in der Rechtsabteilung in einem entsprechenden Unternehmen, idealerweise bereits in der Branche, in der Sie später tätig sein möchten; sofern Sie es für notwendig erachten, die Festlegung eines Zeitrahmens für die Promotion und der Berufseinstieg in einer Großkanzlei. Außerhalb des reinen Karrierepfades sollten Sie sich u.a. ein entsprechendes Netzwerk aufbauen und Ihr Privatleben so gestalten, dass es sich mit diesen Zielen vereinbaren lässt. Jedes Etappenziel lässt sich nochmal in kleinere Zwischenziele unterteilen, alles von der Frage ausgehend „Was muss ich tun, um dieses Ziel zu erreichen?“. Das mag jetzt sehr pragmatisch klingen und sich auch nicht immer ohne Herausforderung 1:1 umsetzen lassen, aber es wird definitiv die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Sie Ihr fernes Ziel erreichen. An dieser Stelle sei auf Forschungsergebnisse von Latham & Locke2 hingewiesen, die zwei wesentliche Ziel-Attribute herausstellen konnten: Spezifität - je spezifischer das Ziel definiert war, desto eher wurde es erreicht – und Anspruch – je anspruchsvoller und herausfordernder das Ziel, umso besser war die gezeigte Leistung. Dies spricht dafür, große Ziele so kleinschrittig und ausführlich wie möglich zu formulieren und sich nicht von negativen Glaubenssätzen wie „Ich bin nicht gut genug“ einschüchtern zu lassen.
Um einen guten Überblick zu behalten, regelmäßige Reflektion zu erleichtern und das Ziel lebendiger werden zu lassen, ist es empfehlenswert, Ziele und Zwischenziele detailliert niederzuschreiben und sich nach draußen über die eigenen Ziele mitzuteilen. Ebenso wie man mit vertrauten Personen die Fragen zur Zieldefinition diskutieren kann, können Menschen aus dem beruflichen Netzwerk aus der eigenen Erfahrung heraus hilfreiche Ratschläge geben. Vergessen Sie dabei aber nicht, ein gutes Ziel ist es nur, wenn es Ihr eigenes ist. Nicht zuletzt kann es bei starken Unsicherheiten bezüglich der eigenen Karriereentwicklung auch immer hilfreich sein, einen Coach zu konsultieren. Schon wenige Sitzungen können hier eine maßgebliche Unterstützung sein.
Je genauer die Zielsetzung, desto leichter wird Ihnen dann im nächsten Schritt die Umsetzung fallen. Um zum Abschluss Arnold Schwarzenegger zu zitieren: „Disziplin ist nur eine Frage der Zielbewusstheit. Wer seine inneren Bilder klar vor Augen hat, kann die nächste Handlungsgelegenheit gar nicht abwarten.“
Über die Autorin:
Diane Manz
ist Dipl.-Psychologin und systemischer Business Coach. Als Inhaberin von brandung | coaching & consulting liegt ihr Fokus der Beratung auf den Bereichen Kommunikation, Karriereentwicklung, Führung und Selbstmanagement, insbesondere im Hinblick auf Umgang mit Stress. Mit 17 Jahren Erfahrung im Personalbereich, davon 13 Jahre als Personalleiterin einer internationalen Großkanzlei, ist die Beratung von JuristInnen ein branchenspezifischer Schwerpunkt ihrer Arbeit.
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