Wertschätzung führt

von Susanne Kleiner, freie PR-Beraterin, Texterin, Journalistin und Mediatorin, München

Ehrlicher Respekt und eine aufrichtige Kommunikation steigern das Wohlbefinden und fördern Identifikation. Mitarbeiter, die glaubhaft erleben, dass sie dazugehören, akzeptiert und gebraucht werden, entfalten ihre Stärken und stehen zu ihren Schwächen: für mehr Vertrauen und Engagement in der Zusammenarbeit. Impulse für die Praxis.

Wer mit sich im Reinen ist, kann andere nicht beschmutzen

Der größte Konflikt ist der, den Menschen mit sich selbst haben. Wer mit sich streng ins Gericht geht, kann andere unmöglich aufrichtig anerkennen. Selbstbewusste Zeitgenossen behandeln sich selbst so, wie sie es von anderen erwarten. Sie achten sich selbst und glauben an sich. Und sie ermutigen sich so zuversichtlich wie geduldig, ihre nächsten Schritte zu tun. Es lohnt sich also, Dialoge mit dem inneren Selbst zu reflektieren. Sätze wie „das kann nur mir passieren“, „ich bin ein Pechvogel“ oder „das ist mal wieder typisch für mich“ signalisieren, dass die Zeit reif dafür ist, sich neu zu programmieren. Bewusst gefasste konstruktive Botschaften prägen sich ein – Wiederholungen inbegriffen. Wer sich selbst bejahend justiert, kann festgefahrene Denkmuster überwinden.

Wohlwollen als Anker

Authentische Gesprächspartner stimmen sich positiv ein. Wer mit dem falschen Fuß aufgestanden oder geneigt ist, andere unreflektiert in eine Schublade zu stecken, besänftigt seine Befangenheit mit Fragen wie: „Was beherrscht der oder die andere besonders gut?“, „Wie trägt er zum guten Betriebsklima bei?“ oder „Wofür bin ich ihm dankbar?“. Es geht nicht darum, sachliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Vielmehr zählt die Chance, Beziehungen zu stärken, um gemeinsam vorwärts zu gehen. Kollegen, die sich geschätzt fühlen, lassen sich weniger von inneren Widerständen kontrollieren. Und sie sind offen für rationale Argumente. Wohlwollen beinhaltet auch, sich über Abwesende nicht abfällig zu äußern. Ein Vorbild eines starken Mentors vor dem inneren Auge erleichtert das Selbstmanagement.

Gut gemeint ist das Gegenteil von gut

Gute Führungskräfte spiegeln sehr bewusst das Verhalten des anderen. Sie verzichten auf „sehr schön“, „super“, „das haben Sie gut gemacht“. Und sie meiden ein „...,aber“, das unverblümt folgt und Schwächen schonungslos serviert. Diese Feedbackgeber urteilen von oben herab. Daran ändert deren vermeintlich gute Absicht gar nichts. Besser ist es, konkret zu sagen, was hervorragend ist und welcher Effekt daraus entsteht. Ein Beispiel: „Sie haben gestern offen Ihre Bedenken gegen das Vorhaben geäußert und fundiert begründet. Dadurch haben Sie dem Team die Augen geöffnet und uns vor einer Fehleinschätzung bewahrt. Danke.“ Im Übrigen: Kleine Geschenke und Überraschungen erhalten auch im Kanzleialltag die Freundschaft. Ein Post-it mit „Danke“ und einem Smiley mag zwar ein kleines Signal sein, kann jedoch das Miteinander gewinnend veredeln. Stehen Kurskorrekturen an, führen einflussreiche Kritiker konstruktiv, weil sie die Sache konkret artikulieren und respektvoll zur Person bleiben. Etwa so: „Ihr Plan ist nicht aufgegangen. Was konkret schlagen Sie vor, um das Projekt auf Kurs zu bringen?“.

Aufrichtung und Zuneigung

Auch der Körper spricht. Und Stimme macht Stimmung. Unsere Einstellung äußert sich nicht nur in dem, was und wie wir etwas sagen. Mimik, Gestik, Blickkontakt und die Gabe, dem anderen „geneigt“ Gehör zu schenken, wertet Begegnungen auf. Ein herzliches Lächeln kommt an und schwingt in dem Gesagten mit. Ein aufgesetztes Grinsen hingegen gleicht einer Oberflächenpolitur, die unharmonisch widerhallt und unbehaglich verklingt. Beliebte Dialogpartner sind ehrlich interessiert. Sie hören aktiv zu. Und Sie verzichten auf ein flüchtiges „Wie geht's?“, dem schlimmstenfalls ein bemühter Kalauer folgt. Also: Die innere Haltung macht den Unterschied. Hinzu kommt: Starke Persönlichkeiten sprechen ihr Gegenüber mit Namen an. Sie beherrschen Umgangsformen und sind pünktlich.

Vollkommenheit statt Perfektion

Wer wertschätzend denkt, fühlt und handelt, würdigt den anderen ganz – unabhängig von dessen Leistung. Der Anspruch auf Perfektion impliziert Frust. Kraftvolle Charaktere sind deshalb vollkommen, weil sie ihre Unvollkommenheit als eine Facette ihrer Individualität akzeptieren. Und sie sind sich selbst treu. So entsteht Charisma. Nicht umsonst fühlen sich Jung und Alt in der Gegenwart derer wohl, die Respekt zollen und menschlich auftreten. Charismatiker sind just in dem Augenblick präsent und lassen sich ganz ein – und zwar ohne ständig auf die Uhr zu schauen oder das Smartphone zu checken. Dann klingen auch Zwischentöne laut. Und der achtsame Zuhörer spürt, wo der Schuh drückt. Oder er entdeckt, was bei dem anderen die Quelle der Begeisterung so sprudeln lässt. So entsteht Verbundenheit, die über eine reine Geschäftsbeziehung hinausgeht.

Wertschätzung kultivieren

Ressourcenbewusste Kanzleien etablieren eine Kultur der Wertschätzung. Ihr Büro pulsiert deshalb, weil Rechtsanwälte, Referendare, Assistenten und das Office-Management gut und auf Augenhöhe zusammenwirken. Sie beziehen Mitarbeiter bei Entscheidungen ein, stellen Transparenz her und holen Meinungen anderer ein. Sie nehmen Ängste ernst und übertragen Aufgaben, die Potenzial freisetzen. Sie gestalten einen Raum für Werte und fördern fachliche und persönliche Entwicklung. Und sie leben eine Feedbackkultur, die Fehler als Entwicklungsschritte anerkennt.

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Quelle BECK Stellenmarkt 4/2016