Berufseinstieg im Bereich Restrukturierung

Interview mit Prof. Dr. Gerhard Schmidt, Managing Partner der Kanzlei Weil, Gotshal & Manges und Dr. Uwe Hartmann, Partner im Corporate Department des Frankfurter Büros von Weil, Gotshal & Manges

Herr Prof. Schmidt, Herr Dr. Hartmann, Sie sind beide seit Jahren in komplexen Restrukturierungsfällen tätig und haben die deutsche Restrukturierungspraxis von Weil, Gotshal &Manges aufgebaut, einer Kanzlei, die z.B. in den USA federführend Restrukturierungsfälle wie Lehman Brothers, General Motors, MF Global und American Airlines gestaltet. –Wie kamen Sie eigentlich darauf, Restrukturierung für die deutschen Büros als eigenständigen Geschäftsbereich zu identifizieren?

Dies geht zurück auf die Marktsituation Anfang der 2000er Jahre. Zum damaligen Zeitpunkt bestand großes Interesse neuer ausländischer Investoren am deutschen Markt. Die meisten dieser Investoren waren neu im deutschen Markt und wollten ihre Erfahrungen aus anderen Märkten wie den USA für diese Geschäftschancen nutzen, hatten jedoch kaum Erfahrung mit den deutschen Instrumenten. Spätestens seit diesem Zeitpunkt haben wir den Bereich Restrukturierungen als eine Säule unseres deutschen Geschäftsmodells festgelegt.Heute umfasst unser Bereich Restrukturierung insbesondere folgende Gebiete: Grenzüberschrei tende Restrukturierungsmandate, Beratung von Finanzinvestoren in notleidenden Unternehmensfinanzierungen, Debt-to-Equity Swaps bei börsennotierten und privaten Gesellschaften, Beratung von Bietern beim Kauf aus der Insolvenzmasse, insolvenznahe Unternehmensübernahmen (M&A) sowie Erwerb und Restrukturierung von Finanzinstituten.

Wie sieht das Tätigkeitsprofil eines jüngeren Kollegen im Bereich Restrukturierung aus? Ist das nicht alles viel zu komplex für einen Berufseinsteiger?

Nein, denn wir begleiten jede Restrukturierung im Team unter der Leitung von mindestens einem erfahrenen Partner. Da wird intern niemand allein gelassen, so dass der erwartete Beitrag eines jeden Team-Mitglieds dessen Ausbildungsstand und Erfahrung entspricht. Zudem lassen sich selbst die komplexesten Situationen auf klar bestimmte und auch für Berufsanfänger handhabbare rechtliche und wirtschaftliche Fragen zurückführen. Ferner durchläuft jeder unserer Berufsanfänger in den ersten Monaten seiner Tätigkeit ein Ausbildungsprogramm in den wichtigsten Bereichen und hat während der gesamten Tätigkeit bei uns die Möglichkeit, sich in den relevanten Gebieten aus- und weiterzubilden. Allerdings muss man auch sagen: Einfach kann jeder! Wer Komplexität fürchtet, sollte sich nicht für Restrukturierung oder überhaupt die Tätigkeit in einer international aufgestellten, transaktionsorientierten Anwaltspraxis entscheiden. Wer aber als Berufseinsteiger Freude an der ergebnisorientierten innovativen Arbeit im Team mitbringt, sich zudem dafür interessiert, wie ein Unternehmen funktioniert und es als Ziel ansieht, das Ergebnis seiner juristischen Prüfung auch für die wirtschaftlichen Entscheidungsträger verständlich und am konkreten Sachverhalt klar zu formulieren, der ist bei uns genau richtig.

„Restrukturierungsrecht“ gehört an den Universitäten ja nicht zur Standardausbildung; welche Rechtskenntnisse sind eigentlich erforderlich, um Restrukturierungsberatung betreiben zu können?

„Restrukturierung“ bezeichnet eher die insolvenznahe Situation, in der eine Transaktion stattfindet, als dass es einen spezifischen Rechtsbereich beschreiben würde. Das ist auch der Grund, warum in unserem Haus im Bereich Restrukturierungen neben der reinen Reorganisation bestehender Finanzverbindlichkeiten auch notleidende Unternehmenskäufe, z. B. aus der Insolvenz heraus oder von einem Eigentümer, der die erforderlichen Restrukturierungsbeiträge nicht mehr leisten kann, oder Unternehmensübernahmen aus der Fremdkapitalposition heraus – Debt-to-Equity Swaps – betreut werden. Natürlich sind für die Restrukturierungsberatung insolvenzrechtliche Kenntnisse wichtig. Bei der Beratung außerhalb eines Insolvenzverfahrens betrifft dies insbesondere Haftungsfragen für das Management, Anfechtungstatbestände für neue Maßnahmen sowie Gestaltungsmaßnahmen, um Einzelvollstreckungsmaßnahmen entgegenzuwirken (z.B. Schutzschirmverfahren nach dem ESUG). Innerhalb eines Insolvenzverfahrens kommen dann die prozessrechtlichen Themen und Fragen zur Gestaltung und Umsetzung eines Insolvenzplans hinzu. Viele Restrukturierungen beginnen aber außergerichtlich mit Liquiditätsbedarf und daher mit Verhandlungen zwischen Schuldnerunternehmen und den Finanzgläubigern. Dort stehen dann eher Fragen des Finanzierungs- und Sicherheitenrechts im Vordergrund. Daneben werden aber immer auch und insbesondere die Rechtsgebiete Gesellschaftsrecht sowie Kapitalmarktrecht (bei börsennotierten Unternehmen) und Steuerrecht eine tragende Rolle spielen. Bei der Restrukturierung einer Bank kommen noch Bankaufsichtsrecht und regulatorische Vorgaben zur Gestaltung des Eigenkapitals und der Liquidität der Bank hinzu.

Welche Qualifikation sollte eine junge Kollegin oder ein junger Kollege für den Bereich Restrukturierung mitbringen?

An erster Stelle eine überzeugende Persönlichkeit und Teamfähigkeit. Erforderlich sind zudem überdurchschnittliche Noten im 1. und 2. Staatsexamen und sehr gute Englischkenntnisse. Ferner helfen ein ausgeprägtes Interesse an betriebswirtschaftlichen Vorgängen und deren Zusammenspiel mit den rechtlichen Fragen einer Transaktion. Auf diesen Grundlagen kann man gut aufbauen. Daneben mag eine einschlägige Promotion, ein LL.M.-Programm oder eine kaufmännische Ausbildung z.B. bei einer Bank als Einstiegsqualifikation hilfreich, wenn auch nicht zwingend erforderlich sein.

Wo sehen Sie die Besonderheiten Ihres deutschen Restrukturierungsteams?

In einer hohen Problemlösungskompetenz. Wir zeigen unseren Mandanten nicht nur die rechtlichen Probleme auf, die sich in einer Situation ergeben, sondern weisen immer auch einen in der Praxis gangbaren Weg, der das wirtschaftliche Ziel unserer Mandanten erreicht. Dabei entwi - ckeln wir auch immer wieder neue Lösungsansätze und Produkte, die wir in kreativer Teamarbeit erarbeiten. Wir sehen uns als innovatives und schlagkräftiges Team, das auf hohem juristischem Niveau insbesondere in komplexen, auch grenzüberschreitenden Situationen, die wirtschaftlichen Zielvorstellungen unserer Mandanten effizient umzusetzen hilft.
Das Gespräch führte Achim Schäfer-Belot, Senior Consultant bei Hays Legal Deutschland

Quelle NJW 37/2012