Noten, Dr. iur., LL.M., soziale Netzwerke - was wirklich zählt

von Christoph Lenz, Legal People

Immer wieder werden wir als Personalvermittler sowohl von Berufseinsteigern als auch berufserfahrenen Juristen nach den Faktoren für einen erfolgreichen beruflichen Ein- oder Umstieg gefragt. Welches sind also die Kriterien, nach denen Kanzleien, Unternehmen oder Verbände ihre Kandidaten aussuchen?
Wie immer verbietet sich eine pauschale Antwort, einige Hinweise sollen aber im Folgenden in lockerer Reihenfolge gegeben werden.

I. Noten

Die Noten der beiden juristischen Examina, gepaart mit dem Abitur und weiteren Abschlüssen wie z. B. Promotion oder LL.M. gehören zur Berufsqualifikation und bilden daher sowohl bei Anwaltskanzleien wie Unternehmen das wichtigste Einstellungskriterium des frisch gebackenen Volljuristen.

Schaut man sich die Topkanzleien, die Rechtsabteilungen von DAX-Unternehmen, aber auch viele sogenannte Boutique- oder Kleinkanzleien an, so wird von den Kandidaten zwar nicht immer „2x vb“ verlangt, aber 18 Punkte in der Summe beider Examina bilden nach wie vor das Eintrittsbillet für die jungen Assessoren. Fehlende Punkte können unter Umständen durch Promotion, LL.M. oder sonstige Zusatzqualifikationen ausgeglichen werden. Eine Aufweichung dieser Kriterien bei der Einstellung erfolgt entgegen anderslautender Gerüchte in der Regel nicht, was gestandene Partner immer wieder zu der scherzhaften Bemerkung verleitet, dass sie selber nach diesen Kriterien damals nicht eingestellt worden wären. Unternehmen sind hier in der Regel flexibler, ebenso Verbände. Großkanzleien haben bekanntlich einen unbändigen Appetit auf solch junge, hochqualifizierte Kandidaten, die berühmten „eier-legenden Wollmilchsäue“. Da deren Zahl begrenzt ist, müssen viele Kanzleien, aber auch Unternehmen nolens volens bei den Noten Abstriche machen. Die Untergrenze bildet dabei in der Regel die Note „befriedigend“. Darunter ist es nach wie vor sehr schwierig, den gewünschten Berufseinstieg zu schaffen. Bei einem Wechsel nach 5, 10 oder 15 Jahren im Beruf bilden die Noten immer noch ein sehr wichtiges, wenn auch nicht ausschlaggebendes Kriterium. Praxiserfahrung, ein entsprechender track record, Branchenkenntnis, Kontakte, aber auch erworbene Zusatzqualifikationen (z. B. Fachanwalt) stehen zunehmend im Vordergrund. Die Note bleibt aber auch dann – eine deutsche Besonderheit – ein relevantes Auswahlkriterium.

II. Sonstige Qualifikationen

Für viele Kanzleien ein wichtiges Auswahlkriterium, für viele Unternehmen eher ein „nice-to-have“, sind weitere Qualifikationen wie z. B. eine Promotion, ein LL.M. oder eine wirtschaftliche Zusatzausbildung, z. B. in Form eines MBA. Schaut man sich die mittlerweile Standard gewordenen Online-Fragebögen der Unternehmen an, die in der Regel für die gesamten Breite der Bewerber konzipiert sind, scheint es mehr auf Berufserfahrung (z. B. in Form von Praktika) denn auf solche zusätzlichen Qualifikationen anzukommen. Unserer Erfahrung nach hat hier jedes Unternehmen seine eigene Einstellungspolitik. Kanzleien legen für den Außenauftritt, aber auch die Akquise gesteigerten Wert auf solche Titel. Und in Unternehmen sind bei einem Wechsel in die Geschäftsführung oder ins Management solche Titel bisher jedenfalls nicht hinderlich gewesen.

III. Soft Skills

Erst an zweiter Stelle bei der Einstellung oder einem Wechsel steht die Persönlichkeit des Kandidaten und seine soziale Kompetenz, gerne auch als Soft Skills bezeichnet. Darunter fasst man einen bunten Strauß von Fähig- und Fertigkeiten wie Team-, Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit, Auftreten, Verhandlungsgeschick oder unternehmerisches Denken. Soft Skills gewinnen im Laufe des Berufslebens verstärkt an Bedeutung, ist die Leitung eines Teams oder gar einer ganzen Abteilung doch ohne Führungskompetenz und -erfahrung, exzellente Kommunikations- und Organisationsfähigkeiten nicht machbar. Soziale Kompetenzen können theoretisch schwer vermittelt werden, sie sind nur erlern- und erfahrbar, z. B. bei der Projektarbeit oder in der Interaktion mit Dritten, seien es nun andere Kollegen, Gegner oder andere Fachabteilungen. Alle im Rahmen der Ausbildung oder der Berufsausübung betriebenen Aktivitäten, die zur Herausbildung und Weiterentwicklung dieser sozialen Kompetenzen führen, wie z. B. ein Auslandsaufenthalt oder Hobbys, sind daher essentiell. Mancher Berufseinstieg, aber auch viele Wechsel, scheitern in der Praxis nicht an der Qualifikation des Bewerbers, sondern an dessen mangelnder Fähigkeit, sich in andere Strukturen einzupassen oder Führungsverantwortung zu übernehmen und diese im Tagesgeschäft zu leben.

IV. Sprachen

Sprachfähigkeiten und -kenntnisse spielen in der Juristerei nach wie vor eine überragende Rolle. Wer schon im Deutschen ein Problem nicht adäquat darstellen kann, kann es meistens auch nicht in einer Fremdsprache. Wichtigste Fremdsprache ist nach wie vor Englisch. Der im englischsprachigen Ausland erworbene LL.M. ist daher ein Nachweis für die Beherrschung dieser Sprache. In der Praxis benötigt wird zumeist sogar englischsprachige Arbeitserfahrung. Alle Aktivitäten, die zu einer Verbesserung der englischsprachigen Kompetenz eines Bewerbers beitragen, sind daher nützlich und wichtig. Kenntnisse in einer romanischen Sprache sind sekundär, auch exotische Sprachen wie Chinesisch. Entsprechende Auslandsaufenthalte oder -semester sprechen für eine interkulturelle Kompetenz des Kandidaten, können auch mal Türöffner sein, sind aber ansonsten irrelevant, weil nicht nur im internationalen, sondern auch im bilateralen Rechtsverkehr fast immer Englisch die Arbeitssprache ist.

V. Soziale Netzwerke

Kontakte können bekanntlich nie schaden. In Zeiten professioneller internetgestützter Netzwerke wie XING oder LinkedIn können auf diese Weise interessante private wie geschäftliche Kontakte geknüpft werden. Insbesondere bieten diese Netzwerke eine Plattform zur Selbstdarstellung des Bewerbers. Sie können ggf. sein Profil abrunden, eine überzeugende Bewerbung und Vorstellung des Bewerbers bei seinem künftigen Arbeitgeber können sie aber nicht ersetzen. Für die Personalauswahl bei Juristen spielen sie derzeit eine eher untergeordnete Bedeutung. Viel wichtiger ist das persönliche Networking mit Blick auf einen späteren Wechsel: Hier können sich manche wertvollen Kontakte ergeben.
Diese wenigen Hinweise zeigen: Einen Königsweg für einen erfolgreichen Einstieg oder Wechsel gibt es nicht. Auch die Faktoren Zufall und Momentum sind nicht zu unterschätzen. Insgesamt gelten jedoch für den (künftigen) Syndikusanwalt, den Rechtsanwalt oder den Verbandsjuristen Kriterien, die sich von denen anderer Studienrichtungen und Fächer deutlich unterscheiden. Das sollte man sich immer wieder vor Augen führen.

Foto oben: Jeanette Dietl/stock.adobe.com

 

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Quelle NJW 11/2012