Wer fragt, gewinnt

von Susanne Kleiner, freie PR-Beraterin, Texterin, Journalistin und Mediatorin, München

Gute Führung stärkt Ressourcen, fördert Querdenken und unterstützt Fortschritt. Routinen und fixe Denkmuster bremsen Vorgesetzte jedoch oft aus. Versierte Führungskräfte aktivieren ihre Mitarbeiter mit zielgerichteten Fragen, aktivem Zuhören und konstruktivem Feedback: Spielarten eines wertschöpfenden Dialogs.

Offene Fragen entschlüsseln Motive

Wer offen fragt, lädt den anderen ein, sich mitzuteilen. Statt: „Sind Sie mit Ihrer Personalentwicklung zufrieden?“, identifizieren aufmerksame Chefs, was Mitarbeiter wirklich antreibt. Etwa so: „Wie beschreiben Sie Ihren Weg in fachlicher und persönlicher Hinsicht?“, „Was hat Sie besonders gestärkt?“, „Woran arbeiten Sie weiter und wie?“ oder „Was davon multiplizieren Sie in Ihrem Team und wie sichern Sie die Wirkung nachhaltig?“. Das Gute daran: Die Art, wie sich Menschen mitteilen, offenbart, was Herzen höher schlagen lässt. Genauso weisen Tonlage, Gestik und Mimik auf Frustkeulen und Energieräuber hin. Wer bewusst kommuniziert, lernt sein Gegenüber besser kennen und verstehen. Starke Chefs fragen und entlarven dabei brachliegende fachliche, soziale oder kreative Stärken.

Ressourcen mobilisieren, wenn es hakt

Fährt ein Projekt an die Wand, ist es zweifellos wichtig, aus Fehlern zu lernen und Ursachen zu verstehen. Doch Warum-Fragen stellen den anderen an die Wand. Wenig hilfreich ist im ersten Schritt deshalb ein: „Warum ist das passiert?“ oder „Wer hat das zu verantworten?“. Die Betroffenen reagieren abwehrend oder hilflos. Stärkenfokussierte Gesprächspartner fragen: „Was haben Sie bereits unternommen? Wie wirksam sind die Maßnahmen Ihrer
meiner Meinung nach?“. Zudem lenken erfahrene Rechtsanwälte den Blick nach vorne und sagen: „Welche Ideen haben Sie, um wieder Fahrt aufzunehmen?“, „Welche Unterstützung benötigen Sie?“, „Welche Erkenntnis ziehen Sie aus den Fehlern?“, „Was davon teilen Sie im Team, damit wir alle daraus lernen?“.

In Lösungen denken und Know-how lenken

Stehen neue, komplexe Aufgaben an, formulieren beziehungsstarke Vorgesetzte: „Welche Schritte empfehlen Sie, um das Ziel zu erreichen?“ oder „Welche Ressourcen brauchen Sie?“. Visionär nehmen sie den Zieleinlauf vorweg und fragen: „Welche neuen Perspektiven gewinnen Sie, wenn Sie ankommen?“. Stagniert der Flow, kurbeln sie Umdenken an und schlagen vor: „Nehmen Sie an, Sie sprechen mit Ihrem großen Vorbild: Was rät Ihnen die- oder derjenige? Welche besonderen Stärken attestiert sie oder er Ihnen?“ Oder sie fordern: „Beschreiben Sie eine Situation, in der diese Schwierigkeit nicht existierte: Was war anders?“

Routinen durchbrechen

Und: Kritische Köpfe sind wachsam, wenn ein Meeting zu schnell in überbordender Harmonie endet. Sie halten inne, wenn alle rasch einer Meinung sind. Mutige Führungskräfte hinterfragen, wenn das Team in gewohnter Manier entscheidet, weil es eben immer schon so war. Dann überraschen wache Moderatoren mit paradoxen Impulsen wie: „Was müssten wir tun, um das Projekt zum Scheitern zu bringen?“. Sie wissen: Es geht darum, Routinen zu durchbrechen. Es geht um kreative Distanz, um Umdenken und Neudenken, weil Neues Chancen bringt.

Wer gut fragt, hört gut zu

Nur wer Antworten würdigt, fördert Vertrauen. Wertschätzende Gesprächspartner wenden sich bewusst ihrem Gegenüber zu. Sie bekunden mit einem Kopfnicken, einem „Aha“, „Ach so“ oder „Mmh“, dass Sie aufmerksam zuhören. So ermutigen beliebte Dialogpartner den anderen, sich mitzuteilen. Sattelfeste Führungskräfte wiederholen das Gehörte oder resümieren in eigenen Worten. Sie benennen das Gemeinte hinter dem Gesagten und hören Zwischentöne. Mit Fingerspitzengefühl und Zuwendung zeigen sie Respekt. Folgt ein beherztes „Ja, genau!“, signalisiert der andere, dass er sich gehört, gesehen und verstanden fühlt. Ein „Nein“ ermöglicht es, Missverständnisse auszubügeln.

Feedback stärkt

Respektvolle Chefs benennen konkret, wie der andere oder dessen Arbeit ankommt. Sie wissen: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut. Wertschätzende Vorgesetzte verzichten auf „sehr schön“, „super“, „das haben Sie gut gemacht“. Und sie meiden ein „...,aber“, das unverblümt folgt und dem anderen dessen Schwachpunkte gnadenlos vorführt. Das wirkt von oben herab. Die ehrbare Intention, die dahinter steckt, ändert daran gar nichts. Respektvolle Anwälte benennen greifbar, was ausgezeichnet ist und was der andere damit bewirkt. Ein Beispiel: „Sie haben gestern offen Ihre Einwände gegen das Projekt formuliert und fundiert begründet. Dadurch haben Sie uns vor einer Fehleinschätzung bewahrt. Danke.“ Ist negative Kritik unvermeidbar, führen einflussreiche Mentoren konstruktiv, weil sie die Sache konkret artikulieren. Sie lassen Ich-Botschaften einfließen und spielen dem anderen einen aktiven Part zu. Ein Beispiel: „Ich verstehe, dass die Lage verfahren war. Was konkret schlagen Sie vor, um das Projekt auf Kurs zu bringen?“. So reifen Mitarbeiter dank konstruktivem Feedback.

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Quelle BECK Stellenmarkt 1/2017