Verbandsjurist: Ein Traumberuf, den keiner kennt?

von Pia Löffler, Rechtsanwältin und Inhaberin von anwaltstexte.com, München

Wer Jura studiert und beide Staatsexamina hat, hat in der Regel ein klares Berufsbild vor Augen: Rechtsanwalt, Staatsanwalt, Richter oder Unternehmensjurist. „Ich will Verbandsjurist werden“ dürfte man von den wenigsten frisch gebackenen Assessoren zu hören bekommen. Das liegt wohl auch daran, dass nur wenige (junge) Juristen wirklich wissen, was ein Verbandsjurist wirklich ist und was er den lieben langen Tag tut.

Damit Sie wissen, ob Sie mit einem Job als Verbandsjurist vielleicht Ihren Traumberuf finden, bringen wir Licht ins Dunkel zum Thema „Verbandsjurist“.

Verbände und ihre Funktionen

Eines vorweg: Wirtschaftsverbände sind zwar vermutlich die bekanntesten Verbände. Verbände existieren und agieren aber tatsächlich in allen Gesellschaftsbereichen – vom rein regionalen Interessenverband bis hin zu großen Wirtschaftsverbänden, die auf die Politik eines Landes und darüber hinaus Einfluss nehmen. Natürlich existieren derartige Verbände auch auf ganz unterschiedlichen Ebenen: auf regionaler, nationaler, aber natürlich auch auf europäischer oder internationaler Ebene.

Generell schließen sich in Verbänden Personen oder Körperschaften (Unternehmen etc.) zur Verfolgung gemeinsamer Ziele zusammen. Verbände bündeln so einerseits die Interessen ihrer Mitglieder, aber auch deren (Fach-) Kompetenzen in einer festen Organisationsstruktur. Hinzu kommt, dass Verbände die Interessen ihrer Mitglieder kommunizieren und ihnen – beispielsweise auf dem politischen Parkett – Gehör verschaffen.

Was tut man als Verbandsjurist konkret?

Die Aufgaben eines Verbandsjuristen ähneln stark den Aufgaben eines „normalen“ Syndikus. Rechtsgestaltend, rechtsvermittelnd und rechtsberatend wird auch der Verbandsjurist tätig. Die Gestaltung von Verträgen, die Fortbildung von Mitarbeitern zu bestimmten Themen oder das Aufsetzen und Formulieren von Informationsmaterialien aus dem juristischen Bereich für Verbandsmitglieder ist sicherlich ein Teil der Arbeit eines Juristen für einen Verband. Und auch das Referieren zu juristischen Themen gehört zu den Aufgaben des Verbandsjuristen.

Je nach konkreter Stellenbeschreibung im Arbeitsvertrag kommt ein Jurist außerdem oft an der Schnittstelle Recht, Politik und Wirtschaft zum Einsatz. Als Berater des Verbandes und Ansprechpartner für dessen Mitglieder informiert der Verbandsjurist beispielsweise über aktuelle Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung und gibt gegebenenfalls Empfehlungen ab, wie am besten auf diese Entwicklungen zu reagieren ist. Juristisch genaues und konkretes Arbeiten ist somit sicherlich ein nicht unwesentlicher Teil der Arbeit als Verbandsjurist. Die Vertiefung in kleinste wissenschaftliche Details eines Rechtsproblems ist jedoch – natürlich immer abhängig von der konkreten Stelle! – nur in seltenen Fällen gefragt.

Die juristische Fachkompetenz des Verbandsjuristen kann allerdings auch in eine andere Richtung eingesetzt werden: Die Arbeit als Verbandsjurist ist wohl eine der wenigen Möglichkeiten, nicht nur „passiv“ mit dem Recht zur arbeiten. Unter Umständen kann ein Verbandsjurist durch das Vertreten und Kommunizieren von Verbandsinteressen auf dem politischen Parkett Einfluss auf die Gesetzgebung in einem bestimmten Bereich nehmen. Die geschickte Kommunikation von Ergebnissen der Mitarbeit an der politischen Willensbildung Richtung Verband und Verbandsmitglieder ist dann nur eine weitere Herausforderung, die die Arbeit als Verbandsjurist mit sich bringt.

Welche Fähigkeiten sollten Sie mitbringen?

Es deutet sich schon an: Die Aufgaben eines Verbandsjuristen können sehr vielfältig sein und sind lange nicht auf die reine Rechtsanwendung beschränkt. Ein reiner Schreibtisch-Job ist diese Aufgabe außerdem nicht, bei Leibe nicht. Deswegen ist juristische Fachkompetenz nicht alles, was ein Bewerber in diesem Umfeld mitbringen muss.

In rechtlicher Hinsicht sind Kenntnisse aus dem Wirtschaftsrecht sicherlich nicht schädlich und auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind von Vorteil. Spezifische Kenntnisse in einem Rechtsbereich, der inhaltlich zur Tätigkeit des Verbandes passt, bei dem man sich vorstellen will, sind ebenfalls unabdingbar. Wer für einen Arbeitgeberverband arbeiten will, sollte z. B. über solide Kenntnisse im Kollektivarbeitsrecht verfügen, bestenfalls erleichtert praktische Erfahrung als Rechtsanwalt oder Syndikus den Einstieg in die Tätigkeit als Verbandsjurist.

Persönliche Fähigkeiten sind gerade in diesem Bereich aber ebenso von Bedeutung: Ohne Interesse für Politik und eine gewisse Kommunikationsstärke ist diese Aufgabe kaum bis gar nicht zu bewältigen. Und auch Organisationstalent schadet bei der Arbeit als Verbandsjurist keinesfalls. Außerdem ist es sicherlich von großem Vorteil, nicht menschenscheu zu sein – steht man doch ständig im Austausch mit Verbandsmitgliedern, der Politik, der Öffentlichkeit: im persönlichen Gespräch mit Fachpolitikern, in der Kommunikation mit anderen Verbänden, um gegebenenfalls auch verbandsübergreifend gemeinsame Ansätze zu eruieren und herauszuarbeiten.

Vor allem kommt es aber darauf an, dass der Verbandsjurist Diplomatie an den Tag legen kann und sowohl fachlich als auch charakterlich in der Lage ist, Kompromisse zu suchen, zu finden und pragmatisch in konkrete Inhalte umzusetzen. Auch Kreativität und vor allem sprachliches Geschick helfen letztlich dabei, den Beruf des Verbandsjuristen optimal ausfüllen zu können.

Fazit

Die Arbeit als Verbandsjurist ist eine spannende Aufgabe für einen Juristen, keine Frage. Gewisse Fähigkeiten sollte der Bewerber aber mitbringen und diese gehen deutlich über das rein Juristische hinaus. Bringt man jedoch neben den passenden juristischen Kenntnissen auch die richtigen „soft skills“ mit, kann der Beruf des Verbandsjuristen durchaus „Traumberuf“ sein.

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Quelle BECK Stellenmarkt 18/2014