Digitale Transformation: Chancen für Steuerberater

von Sabine Jung-Elsen, Betreuerin der Unternehmenskommunikation bei der Scopevisio AG

Der private Alltag wird immer digitaler: Mit dem Smartphone shoppen, Termine in der Cloud synchronisieren, Musik streamen – all das ist gelebte Praxis. Innerhalb kürzester Zeit sind Apps und Dienste, die es bis vor wenigen Jahren noch gar nicht gab, zu ständigen Begleitern geworden. Auch im Geschäftsleben ist die Digitalisierung das Top-Thema auf der Agenda. Da erscheint es fast wie ein Anachronismus, dass viele Prozesse in der Kanzlei ebenso wie die Zusammenarbeit zwischen Steuerberater und Mandant oft noch papierbasiert ablaufen.

Gemeinsam digital

Dabei eröffnet die digitale Transformation gerade für den Steuerberater ganz neue Möglichkeiten: Zunächst geht es darum, die eigenen Kanzleiabläufe noch weiter zu digitalisieren, zu vernetzen und zu automatisieren. Das ist in vielen Kanzleien teilweise schon geschehen. In einem weiteren Schritt sollten neuen Technologien aber auch für die verbesserte Zusammenarbeit – neudeutsch Collaboration - mit den Mandanten genutzt werden. Nur auf diese Weise lässt sich die digitale Prozesskette zum Mandanten hin verlängern – zu Gunsten beider Partner. Die Vorteile sind vielfältig:

Einfachere Zusammenarbeit: Weniger Abheften, Sichten und Sortieren von Belegen – statt dessen digitaler Belegaustausch ohne manuelle Importe bzw. Exporte. Allerdings bringt der digitale Beleg allein noch keinen wirklich signifikanten Nutzen. Erst die darauffolgende automatisierte Verarbeitung führt zu mehr Effizienz.

Komfort und Zeitgewinn: Doppelerfassungen entfallen, fehleranfällige manuelle Eingaben werden reduziert – kurz: Bei der Bearbeitung von Belegen sind weniger oder womöglich gar keine Handgriffe nötig, denn viele Routineabläufe können dank künstlich intelligenter Verfahren automatisiert werden. Dadurch wird Zeit gespart und die Datenqualität erhöht.

Aktualität: Der Steuerberater kann überall und jederzeit auf Daten und Belege des Mandanten zugreifen, der Mandant auf Auswertungen und Berichte des Steuerberaters. Daten und Belege sind – dank OCR und Volltexterkennung – zudem leichter auffindbar, wenn sie nicht in Ordnern oder Ablagen gesammelt werden.

Sicherheit: Für den Mandanten stehen Lösungen bereit, mit denen er seine Buchhaltung, Kassenführung und Archivierung GoBD-konform erledigen kann.

Ansprüche der Mandanten

Gerade die neue Unternehmer-Generation hat digitale Arbeitsweisen verinnerlicht und digitale Prozesse im Betrieb etabliert. Dass diese vor den Toren der Kanzlei zum Erliegen kommen, wird immer weniger akzeptiert. Steuerberater, die sich der Digitalisierung verschließen, werden für junge Mandanten unattraktiv. Dagegen positioniert sich ein Steuerberater, der die Digitalisierung mit vorantreibt, als moderner und zukunftsorientierter Sparrings-Partner. Auch vor diesem Hintergrund ist eine digitale Transformation unausweichlich.

Beratung statt Buchhaltung

Steuerberater sollten dies als Chance sehen: Die digitale Zusammenarbeit ermöglicht es ihnen, sich so von rein verwaltenden Tätigkeiten zu befreien und künftig in Echtzeit auf eine viel breitere Datenbasis der Mandanten zugreifen. Dies wiederum erlaubt zusätzliche und auch ganz neue Beratungsleistungen, angefangen bei der betriebswirtschaftlichen Beratung bis hin zur Unternehmensberatung. Genau das entspricht offenbar den Wünschen der Mandanten: „Entgegen der Selbsteinschätzung des Steuerberaters erwarten die Mandanten weniger deklaratorische als vielmehr beratende Leistungen“, heißt es in der Broschüre „Steuerberater 2020“ der Bundessteuerberaterkammer. Die Digitalisierung kann dabei helfen, genau diese Aufgabe zu erfüllen.

Modelle von S bis XL

Wie aber lässt sich die digitale Zusammenarbeit mit dem Mandanten umsetzen? Basis dafür sind neue Technologien, allen voran Cloud-Lösungen, die idealerweise um Verfahren der künstlichen Intelligenz ergänzt werden. Ganz unterschiedliche Modelle sind schon heute realisierbar, sowohl für Mandanten, die ihre Buchhaltung komplett an den Steuerberater übergeben haben als auch für die sogenannten Selbstbucher.

Das simpelste Lösung ist dabei der bekannte Pendelordner in digitaler Form. Mit dessen Hilfe werden Belege digital an den Steuerberater übertragen. Diverse Startups bieten dafür entsprechende Apps. Auch viele Steuerkanzleien haben eigene Lösungen entwickelt.

Möchte der Mandant vorbereitende Arbeiten für die Buchhaltung leisten, ist dies ebenfalls möglich. Denn mit ausgewählten Online-Buchhaltungsprogrammen, die über eine entsprechende Schnittstelle verfügen, lassen sich vorkontierte Belege an den Steuerberater übermitteln. Problem bei beiden Modellen: Es handelt sich um digitale Einbahnstraßen, insofern zwar Belege digital ausgetauscht, Auswertungen aber nicht digital zurückgespielt werden können.

Die digitale Zweibahnstraße findet sich dagegen meist dort, wo Mandanten- und Kanzleilösungen miteinander integriert werden. Auch hier sind bereits Lösungen verfügbar, denn Anbieter von Kanzleilösungen und Anbieter von Buchhaltungssoftware nähern sich inzwischen einander an. Erst kürzlich gab ein Anbieter von Kanzlei-Lösungen die Integration einer Online Fibu für Mandanten bekannt.

Zudem ermöglichen Cloud-Anbieter in der Regel dem Steuerberater über einen Gastzugang den einfachen Zugriff auf relevante Daten in der Online-Finanzbuchhaltungssoftware des selbstbuchenden Mandanten.

All diese Entwicklungen zeigen: Es ist Bewegung im Markt. Es bleibt abzuwarten, in welcher Weise Steuerberater, Mandanten und Softwarehersteller aufeinander zugehen, um gemeinsam optimale Lösungen zu entwickeln. Die Geschwindigkeit der digitalen Transformation wird diesen Prozess sicherlich fördern.

Quelle DStR 13/2017