Was Nachwuchsjuristen von Arbeitgebern wollen - Trendence Absolventenbarometer

von Robindro Ullah und Dr. Simon Mamerow

Nachwuchsjuristen sind anspruchsvoll, wenn sie sich ihren Arbeitgeber auswählen. Und das können die High Potentials unter den Nachwuchsjuristen auch sein, denn sie sind heiß begehrt und umworben sowohl von Kanzleien als auch von Industrieunternehmen und dem Öffentlichen Sektor. Doch was ist es, das den Ausschlag gibt, ob sie ein Jobangebot annehmen oder nicht?

Das Marktforschungsunternehmen Trendence untersucht seit 1999 die Wünsche und Erwartungen, die Nachwuchsjuristen an ihren Job stellen, und ermittelt die beliebtesten Arbeitgeber. Jedes Jahr nehmen 90.000 Schüler, Studenten und Young Professionals an den Umfragen teil, darunter 2.200 Nachwuchsjuristen.

Die Ergebnisse aus dem aktuellen Trendence Absolventenbarometer für die Rechtswissenschaften stellen wir Ihnen hier vor.

Anspruchsvolle Nachwuchsjuristen

Die wichtigsten Argumente, mit denen Arbeitgeber Juristen von einem Job überzeugen können, sind die passende Unternehmenskultur und eine tolle Arbeitswelt. Die müssen zum Bewerber passen. Dazu zählen Dinge wie ein kollegiales Miteinander und Wertschätzung, aber auch spannende Aufgaben und die Chance, sich im Job persönlich weiterzuentwickeln und zu wachsen.

Die harten, verhandelbaren Konditionen wie Gehalt, Weiterbildungen und das fast gesetzmäßige Vorankommen auf der Karriereleiter sind nicht Entscheidungsgrund Nummer eins. Aber dazu später mehr.

Es gibt einen kleinen, aber feinen Unterschied zwischen der Art und Weise, wie Frauen einen Arbeitgeber wählen und wie Männer denken: Frauen legen im Vergleich zu den Männern mehr Wert auf die passende Unternehmenskultur, für Männer sind die richtigen Konditionen etwas wichtiger. Arbeitgeber tun in Bewerbungsgesprächen also gut daran, entweder den einen oder den anderen Aspekt etwas stärker hervorzuheben.

Trendence untersucht insgesamt 20 Faktoren und ihre Rolle bei der Wahl eines Arbeitgebers. Seit vielen Jahren stehen fünf Faktoren aus Kultur und Arbeitswelt unverändert an der Spitze: attraktive Arbeitsaufgaben, persönliche Entwicklung, Kollegialität, Wertschätzung und ein guter Führungsstil. 97 Prozent der Nachwuchsjuristen – und damit fast jedem – sind diese Eigenschaften eines Arbeitgebers wichtig.

Gut führen – aber wie?

Arbeitgeber, die sich nicht nur darauf konzentrieren wollen, die besten Mitarbeiter zu rekrutieren, sondern sie auch langfristig ans Unternehmen zu binden, müssen sich mit dem Thema Führung auseinandersetzen. Gute Führung ist einer der Top 5 Gründe, die für einen Arbeitgeber sprechen. Schlechte Führung ist der häufigste Kündigungsgrund von Mitarbeitern.

Doch was macht gute Führung in den Augen der Nachwuchsjuristen überhaupt aus? Ganz oben auf der Wunschliste stehen Chefinnen und Chefs, die organisieren und motivieren. Ein Drittel wünscht sich empathische Führungskräfte und solche, die Konflikte gut managen können. Expertise hingegen landet nur auf Rang 5 der Anforderungen an Chefs. Knapp 24 Prozent verlangen das von ihrer Führungskraft.

Die vielen Stunden, die Juristen im Job verbringen, wollen sie auch in einem angenehmen, produktiven und wertschätzenden Klima arbeiten – und das müssen die Führungskräfte schaffen.

Arbeitszeiten im Realitätscheck

Jura-Studenten sind darauf eingestellt, später im Job viel zu arbeiten. Sie rechnen mit 50 Stunden Arbeit pro Woche. Tatsächlich arbeiten Volljuristen im Schnitt 46 Stunden. Das ist weniger als befürchtet, aber dennoch deutlich mehr als die durchschnittlich vertraglich vereinbarten 38,4 Stunden.

Da wundert es nicht, dass flexible Arbeitszeiten wichtig werden, mehr als in anderen Berufsgruppen. 57 Prozent der Studenten und 65 Prozent der Volljuristen möchten sich ihre Arbeitszeit selbst einteilen können. Auch der Wunsch nach Arbeiten im Homeoffice steigt mitzunehmender Berufserfahrung. Ist es unter den Studenten noch jeder fünfte, möchte jeder dritte Volljurist von zu Hause arbeiten.

Viele Kanzleien sind aktuell noch weit entfernt von flexiblen Arbeitsmodellen. Das ist sicherlich ein Grund dafür, dass viele große Kanzleien an Attraktivität als Arbeitgeber verlieren. Auf kurz oder lang werden sich aber auch Kanzleien den neuen Arbeitsformen nicht verschließen können, wenn sie die erfahrenen Juristen halten möchten. Der Kulturwandel, der dafür nötig ist, wird allerdings einiges an Umdenken und Zeit benötigen.

Ohne Moos nix los

Für 73 Prozent der Juristen ist ein hohes Einstiegsgehalt ein wichtiges Kriterium bei der Arbeitgeberwahl. Die Höhe des Gehalts ist damit eher einer der unwichtigeren Faktoren im unteren Drittel der wichtigsten Faktoren – nicht weil es als so wenig wichtig erachtet wird, vielmehr weil es schon so selbstverständlich ist.

Entsprechend ist das erwartete Jahresgehalt sehr hoch. 82.200 € brutto Jahresgehalt erwarten Jura-Studierende von ihrem ersten Arbeitgeber. Zum Vergleich: Ingenieure verlangen im Schnitt 48.900 €, Wirtschaftswissenschaftler 45.500 € brutto pro Jahr. Das sind 40 bis 45 Prozent weniger.

Außerdem beobachten wir eine sehr deutliche Gender Gap bei den Gehaltserwartungen. Juristinnen verlangen 18 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. In technischen Berufen liegt die Lücke bei 9 Prozent, bei Wirtschaftswissenschaftlern bei 13 Prozent. Unternehmen, die sich für Chancengleichheit einsetzen, tun gut daran, diese verschiedenen Erwartungen auszugleichen.

Juristen im Wandel der Zeit

Im Laufe des Berufslebens verändern sich die Wünsche und Anforderungen von Juristen an den optimalen Job. Das betrifft nicht nur die Arbeitszeiten.

Am Anfang ihrer Karriere spielen für Nachwuchsjuristen ein sicherer Job und finanzielle Zusatzleistungen eine wichtigere Rolle als später im Berufsleben. So wie der Wunsch nach Flexibilität steigt, sinkt die Bedeutung des Geldes.

Mit zunehmender Berufserfahrung menschelt es auch mehr: Kollegialität unter den Mitarbeitern wird bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers wichtiger. Gute Karriereperspektiven spielen dafür eine geringere Rolle als zu Beginn der eigenen Laufbahn.

Erfahrenere Juristen sind außerdem sesshafter und möchten für einen neuen Job nicht mehr so gern umziehen und den Familienmittelpunkt verlassen.

Kleinere und mittlere Kanzleien bedienen diese Bedürfnisse heute schon gut. Da überrascht es nicht, dass sie mit steigender Berufserfahrung der Bewerber als Arbeitgeber immer beliebter werden. Ihre Popularität unter Volljuristen ist um 50 Prozent höher als unter Studenten.

Die nachfolgende Juristengeneration stellt neue Anforderungen an Arbeitgeber und auch die Bedürfnisse der eigenen Mitarbeiter wandeln sich. Gute Arbeitgeber reagieren darauf und bieten ihren Mitarbeitern die passende Lösung für ihre Lebenssituation. Das verlangt gutes und permanentes Zuhören und Flexibilität von Unternehmen.

Über die Autoren:

Robindro Ullah
Geschäftsführer des Trendence Instituts


© jakobhoff.com

Dr. Simon Mamerow
Senior Account Manager
beim Trendence Insitut und
unterrichtet Employer Branding
an der HTW Berlin und der IUBH

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