Präsenzkurse oder Fernkurse: eine Entscheidungshilfe

von Oliver Lowin

Wer die Webseiten der bekannten Anbieter für Vorbereitungskurse zur Steuerberaterprüfung über die Zeit verfolgt hat, stellt fest, dass sich das Angebot immer weiter ausdifferenziert.

Während sich Präsenzkurse unterjährig oder in Vollzeit seit langem erfolgreich am Markt halten, gibt es zusätzlich noch Fernlehrgänge mit Lehrbriefen per Post oder im wöchentlichen Download (s. Erläuterung "Fernlehrgänge: Zulassung und Schutzwirkung" zum Abschluss des Textes) sowie Online-Lehrgänge per Video und Hybridkombinationen.

Regelmäßig versuchen Interessenten, Entscheidungskriterien zu finden, welche Kursart für sie die beste ist. Die Entscheidung ist höchst individuell und beinhaltet neben den sachlichen Themen auch eine Frage der eigenen Persönlichkeit.

Auf der sachlichen Ebene gilt es, Orte, Fahrtzeiten, Kosten und Anzahl der beinhalteten Probeklausuren oder Besprechungs- und Korrekturarten zu berücksichtigen. Mindestens genauso wichtig ist jedoch, dass Teilnehmende ihre individuelle (Lern)Persönlichkeit im Blick behalten.

Einige der folgenden Kriterien mögen zur Entscheidung beitragen:

Flexibilität

Ein Fernlehrgang bietet die maximale Flexibilität, da der Teilnehmende in Eigenregie von zu Hause aus lernt. Zu welcher Zeit jemand seine Lehrbriefe durcharbeitet, ob morgens, mittags oder abends, im Wohnzimmer, im Stadtpark, im Garten oder im Café, kann er selbst entscheiden.

Er kann es nicht nur selbst tun, er muss es auch selbst tun, um nicht mit dem Stoffplan hinterher zu fallen. Das bedeutet, sich zu fragen: Wie leicht lasse ich mich ablenken? Habe ich mich selbst schon bei der „Aufschiberitis“ erwischt? Gibt es für mich gute Lernorte, auf die ich regelmäßig zurückgreifen kann? Wer als Studierender gut in der Bibliothek gelernt hat oder während seiner Vorbereitung zum Steuerfachwirt den Besprechungsraum seines Arbeitgebers nutzen durfte, sollte sich fragen, ob diese Ressourcen immer noch zur Verfügung stehen und wie er darauf zugreifen kann.

Flexibler Startzeitpunkt

Daran anschließend ist die Frage, ob ein Lehrgang mit flexiblen Start- und Endpunkten für den Teilnehmenden das Richtig ist.

Präsenzkurse starten zu einem festgelegten Zeitpunkt und führen dann (ggf. mit Hilfe weiterer Kurse) zum Prüfungszeitpunkt. Fernkurse werden tlw. höchst individuell angeboten, so dass ein jederzeitiger Start möglich ist. Erfahrungsgemäß gibt es Menschen, die besser arbeiten, wenn Sie ein „festgelegtes Korsett“ haben, innerhalb dessen sie Aufgaben erledigen müssen. Haben Teilnehmende die Disziplin, nicht nur den wöchentlichen Lernumfang selbst festzulegen, sondern auch ohne festes Enddatum, wie den Beginn eines noch folgenden Klausurenkurses, zu lernen? Leicht wird die Prüfungsvorbereitung dann ein endloses Unterfangen und führt zu Frustrationen.

Eigenmotivation

Fernkurs-Teilnehmende müssen bedingt durch das Selbstlernen in besonders hohem Maße eine Eigenmotivation finden, sich hinzusetzen und dann auch zu lernen. Flexibilität, was Ort und Lernzeit betrifft, kann zwar viel wert sein, nützt aber nichts, wenn man feststellt, dass man keine Lust hat und sich nur mit Ach und Krach zum Lernen motivieren kann. Vielleicht lassen Sie sich auch allzu gerne von „Games of Thrones“ ablenken oder möchten lieber Zeit mit Freunden, Kindern oder der Familie verbringen.

In einem Präsentunterricht mag das eigene Motivationsniveau auch nicht immer gleichbleibend hoch sein (Dozierende wissen davon ein Lied zu singen), aber Teilnehmende haben immer noch Lehrende und andere Kommilitonen, mit welchen sie sich austauschen können und die sie in schlechten Zeiten „mitnehmen“.

Wer sich entscheiden muss, sollte sich folgende Fragen stellen:

Werde ich durch die Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen Menschen (auch) motiviert? Brauche ich zu Selbstmotivation den sozialen Kontakt zu anderen Menschen und mag Diskussionen mit ihnen? Verstehe ich die Themen am besten, wenn ich sie schriftlich für mich selbst durcharbeite und zusätzliche Informationen ggf. selbst recherchiere oder per E-Mail anfragen kann? Kann ich meine Selbstmotivation für das Ziel „Steuerberater sein“ (nicht „werden“)  so intensiv in mir verankern, dass ich mich damit auch alleine pushen kann oder benötigen ich auch den Austausch mit anderen darüber?

Inhaltliche Stärke

Wer sich die Themen gerne persönlich erklären lässt und auch Nachfragen stellen will (oder muss), ist vermutlich mit einem Präsenzkurs besser bedient. Wer sich inhaltlich stark fühlt und einen Vorbereitungslehrgang eher als Wissenswiederholung versteht, ist bei einem Fernlehrgang vielleicht besser aufgehoben. Teilnehmende sollten sich mit folgenden Themen befassen. Wie stark bin ich inhaltlich vorbereitet? Was weiß ich schon, was will ich in der Prüfungsvorbereitung noch lernen?

Lerntyp

Es gibt sehr unterschiedliche Lerntypen und Lernstile. Zur Entscheidungsfindung sollte auch eine Reflektion zu diesem Thema gehören. Interessenten sollten sich auf jeden Fall für einen Fernlehrgang Musterunterlagen zusenden lassen und diese durcharbeiten, genauso wie man im Fall des Präsenzunterrichtes die Gelegenheit zum Probehören nutzen sollte. Nur so kann der Wählende entscheiden, was gut zu ihm passt.

Er sollte sich fragen: Wie lerne ich selbst? Welcher Lerntyp bin ich? Und welchen Lernstil bevorzuge ich? Lese ich gerne selbst Texte? Benötige ich Vorinformationen, um einen Lehrenden zu verstehen? Verstehe ich Inhalte besser mit Bildern, Ablaufdiagrammen und Zeichnungen? Und wie wieviel ist jeweils davon in den Lehrgangsunterlagen enthalten?

Die Entscheidung, sich für einen Präsenzkurs oder einen Fernlehrgang anzumelden, bleibt in jedem Fall eine höchst individuelle mit einem ganzen Bündel an Kriterien.

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Fernlehrgänge: Zulassung und Schutzwirkung

Die Genehmigung eines Fernkurses durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht ist wichtig, um den Qualitätsstandard von Fernlehrangeboten zu sichern und Fernstudenten vor unseriösen Angeboten zu schützen.

Beim Fernunterricht sind Lehrende und Lernende ganz oder überwiegend räumlich getrennt. Dies ist dann der Fall, wenn mehr als die Hälfte der benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten über Lehrbriefe oder Lernvideos unterrichtet wird.

Die Teilnehmenden haben beim Fernunterricht sehr oft die Möglichkeit, ein Forum mit Fragen zu bestücken und Kommentare abzugeben. Die Möglichkeit einer gleichzeitigen Antwort besteht jedoch nicht zwingend.

Der Fernlehrgangsanbieter muss den Lernerfolg überwachen und Korrektur- und Prüfungsaufgaben sowohl während der häuslichen Selbstlernphase als auch mündlich während des begleitenden Unterrichts vornehmen; ausreichend ist allerdings auch eine einmalige Abschlussprüfung nach Durchführung des Fernunterrichts.

Für Lernende ist wichtig, dass der Fernlehrgang auch von der Zentrale für Fernunterricht zertifiziert ist. Dies wird durch die Zulassungsnummer deutlich.

Ein Widerrufsrecht nach den Regelungen des BGB hat der Teilnehmende gegenüber dem Anbieter, seine Kündigungsrechte richten sich nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz.

Über den Autor:

Oliver Lowin
Rechtsanwalt und Geschäftsführer der
GFS Steuer- und Wirtschaftsfachschule GmbH

Quelle DStR 43/2019