Vergaberecht – Beschaffung der öffentlichen Hand im 21. Jahrhundert!

von Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG und Fabian Winters

Das Vergaberecht ist seit Jahren eines der sich am dynamischsten entwickelnden Rechtsgebiete in Deutschland. Die Bedeutung des Vergaberechts für das Funktionieren des Staates kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Nach Schätzungen sind mehr als 10% des Bruttoinlandsproduktes von dem durch das Vergaberecht vorgegebenen Rechtsrahmen betroffen. Die Vielschichtigkeit der vergaberechtlichen Themen macht das Rechtsgebiet für Juristen spannend und herausfordernd.

Was ist Vergaberecht?

Unter Vergaberecht versteht man gemeinhin die Gesamtheit der Regeln und Vorschriften, die dem Staat und seinen vielfältigen Untergliederungen eine bestimmte Vorgehensweise bei der Beschaffung von Liefer-, Dienst- und Bauleistungen vorschreibt.

Das Vergaberecht dient u. a. der Bekämpfung von Korruption. Dabei wird zwischen dem sogenannten Ober- und Unterschwellenbereich unterschieden. Oberhalb der Schwellenwerte beruht das Vergaberecht auf EU-Richtlinien und ist gemeinschaftsrechtlich geprägt. Im Unterschwellenbereich ist das Vergaberecht auf die haushaltsrechtlichen Vorschriften zurückzuführen. Aufgrund dieser Zweiteilung kommt es immer wieder zu Abgrenzungsfragen sowie Problemen bei der ordnungsgemäßen Durchführung von Vergabeverfahren.

Da viele Fragen zudem Gegenstand der Rechtsprechung sind, bieten sich hier mannigfaltige und höchstspannende Betätigungs- und Gestaltungsmöglichkeiten für Juristen. Nicht zuletzt spielt das Vergaberecht im Bereich der Fördermittel eine zunehmend dominante Rolle, wenn es darum geht, ob die bereitgestellten Mittel vergaberechtskonform ausgegeben worden sind.

Was genau macht das Vergaberecht so besonders?

Das Vergaberecht ist vielschichtig. Es betrifft z. B. sämtliche Bau- und Planungsaktivitäten des Staates (siehe u. a. das Stadtschloss Berlin und die Elbphilharmonie in Hamburg). Ferner werden Liefer- und Dienstleistungen davon umfasst. Dies betrifft auch den spannenden Bereich der Beschaffung von diversen IT-Leistungen, von der einfachen Standardsoftware bis hin zu hochkomplexen und sicherheitsrelevanten Cloud-Lösungen. Damit bietet das Vergaberecht u. a. auch eine breite Spielwiese für den IT-affinen Juristen.

Schließlich gibt es weitere Spezialmaterien, welche ebenfalls erhebliche Gestaltungsspielräume eröffnen: das sogenannte Sektorenvergaberecht (u. a. Energie und Verkehr), das Vergaberecht zur Beschaffung von Leistungen in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung und nicht zuletzt das Vergaberecht zur Vergabe von Konzessionen.

Die Vielschichtigkeit des Vergaberechts verdeutlicht einen Blick auf die zentralen Beschaffungsstellen in Deutschland: der Einkauf der Deutsche Bahn AG, das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern oder das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). Aber auch ein Lkw-Mautsystem ist ohne entsprechende Ausschreibung nicht denkbar.

Worin unterscheidet sich das Vergaberecht von anderen Rechtsgebieten?

Das Vergaberecht ist unter zwei Gesichtspunkten eine klassische Querschnittsmaterie. Zum einen setzt die juristische Tätigkeit im Vergaberecht eine hohe Affinität zu den vielschichtigen Vergabegegenständen voraus.

Denn eine IT-Ausschreibung kann nur gelingen, wenn man die Sprache der IT-Abteilungen versteht, bei einer Ausschreibung für die  Sterilgutaufbereitung im Krankenhaus ist ein Grundverständnis hinsichtlich der Abläufe in einem Krankenhaus hilfreich.

Schließlich bedeutet dies auch, dass der Vergaberechtler häufig mit Fachleuten aus anderen Berufszweigen kommunizieren muss. Dies stellt einen ganz besonderen Anreiz dar, da die Vergaberechtsberatung gerade nicht auf die bloße Abarbeitung von Rechtsfragen reduziert ist. Der Vergaberechtler muss über den „juristischen Tellerrand“ hinausschauen.

Zum anderen kann sich der Vergaberechtler auf weitere Rechtsgebiete spezialisieren. So ist das Vergaberecht ohne fundierte vertragsrechtliche Kenntnisse kaum denkbar. Darüber hinaus sind regelmäßig auch datenschutzrechtliche Fragen zu klären und/oder Fragen arbeitsrechtlicher, umweltrechtlicher oder baurechtlicher Natur relevant. Es wird also nie langweilig und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Juristen aus anderen Rechtsbereichen bleibt nicht aus.

Wieso sollte man sich auf das Vergaberecht spezialisieren?

Das Vergaberecht bietet dem Juristen eine Vielzahl von hochinteressanten Beschäftigungsmöglichkeiten. So werden vergaberechtlich geprägte Juristen als Anwälte, Justiziare im Unternehmen, Behördenvertreter oder als Mitarbeiter von Fachverbänden gesucht.

Im Rahmen der Beratung, neuerdings gibt es auch den Fachanwalt für Vergaberecht, bietet sich dem interessierten Juristen ein breites Spektrum an Betätigungsfeldern, sei es in Anwaltskanzleien oder in Unternehmensberatungen (hier häufig im „Public Sector“). Der Beratungsbedarf im Vergaberecht ist gewaltig und macht auch vor Fragen der Compliance im Vergaberecht nicht halt. Dies wird sich auf absehbare Zeit noch verstärken!

Das Rechtsgebiet bietet aufgrund einer anhaltend hohen Dynamik und seiner vielschichtigen Ausprägung perfekte Voraussetzungen für Juristen, heute und in Zukunft!

Über die Autoren:

Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG
Fachanwalt für Vergaberecht und Verwaltungsrecht
bei LEXTON Rechtsanwälte, Berlin

Fabian Winters, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht
bei LEXTON Rechtsanwälte, Berlin

Quelle JuS 11/2018